Entscheidungsstichwort (Thema)

Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers. In geeigneten Fällen. Altersrente für Berufs- bzw Erwerbsunfähige. Rentenbeginn. Vorhergehender Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeitsrentenbezug. Sozialrechtlicher Herstellungsanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine allgemeine Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers nach § 115 Abs 6 S 1 SGB 6 besteht nicht nur in Fällen der Regelaltersrente nach § 35 SGB 6 und der Altersrente für langjährig Versicherte nach § 36 SGB 6 (vgl BSG vom 1.9.1999 - B 13 RJ 73/98 R), sondern auch in den Fällen der Altersrente für berufs- oder erwerbsunfähige Versicherte nach § 37 SGB 6 in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung, wenn diese Versicherten bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres bereits Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit von dem Rentenversicherungsträger bezogen haben.

2. Bei dieser Fallgruppe der Altersrente für berufs- oder erwerbsunfähige Versicherte ist für den Rentenversicherungsträger ohne eine auf den Einzelfall bezogene Sachaufklärung erkennbar, dass dieser abgrenzbare Kreis von Berechtigten die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung nach § 37 SGB 6 erfüllt, die von den Berechtigten im Regelfall in Anspruch genommen wird.

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 09.10.1998; Aktenzeichen S 3 A 38/98)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 9.10.1998 aufgehoben und der Bescheid der Beklagten vom 18.7.1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3.2.1998 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin bereits ab 1.4.1993 die Altersrente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Klägerin bereits ab der Vollendung des 60. Lebensjahres die Altersrente für Erwerbsunfähige zu gewähren ist.

Die am 12.3.1933 geborene Klägerin erhielt von der Beklagten seit Juni 1983 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU). Mit Bescheid vom 11.7.1989 bewilligte die Beklagte die Weitergewährung der zeitlich befristeten EU-Rente bis zum 31.8.1992.

Im Mai 1992 beantragte die Klägerin beim Versicherungsamt … die Weitergewährung der EU-Rente. Mit Bescheid vom 15.7.1992 bewilligte die Beklagte daraufhin die EU-Rente auf Dauer.

Am 17.6.1997 sprach die Klägerin bei der Auskunfts- und Beratungsstelle der Beklagten in Mainz vor und beantragte die rückwirkende Umwandlung ihrer EU-Rente in eine Altersrente. Zur Begründung erklärte sie, im März 1995 sei ihr bei einer Beratung im Versicherungsamt … gesagt worden, eine Umwandlung ihrer EU-Rente sei nicht möglich, an ihrer Rente würde sich nichts ändern. Bei der Beratung anlässlich ihrer Vorsprache im 17.6.1997 sei ihr erklärt worden, dass sie aufgrund der Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung die 35-jährige Wartezeit erfülle und daher bereits ab Vollendung des 60. Lebensjahres Anspruch auf Altersrente habe, die über 300,– DM mehr monatlich betrage.

Mit Bescheid vom 18.7.1997 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1.6.1997 die Altersrente für Erwerbsunfähige nach Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Anspruchsvoraussetzungen seien seit dem 11.3.1993 erfüllt.

Die Klägerin widersprach diesem Bescheid. Die Beklagte habe es unterlassen, sie auf die seit dem 11.3.1993 mögliche Umstellung ihrer EU-Rente hinzuweisen. Daher stehe ihr die bewilligte Altersrente bereits ab dem 11.3.1993 zu.

Die Beklagte holte eine Auskunft des Versicherungsamts … vom Oktober 1997 ein und wies mit Bescheid vom 3.2.1998 den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Klägerin habe die Altersrente nicht bis zum Ende des 3. Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt, in dem sämtliche Anspruchsvoraussetzungen vorgelegen hätten. Ein Beratungsfehler sei nicht ersichtlich, so dass ein früherer Rentenbeginn auch nicht nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs möglich sei.

Die Klage hat das Sozialgericht Mainz mit Urteil vom 9.10.1998 abgewiesen. Der Klägerin stehe auch nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs die Altersrente bereits ab März 1993 zu. Es liege weder ein Beratungsfehler des Versicherungsamtes … vor noch habe die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Verpflichtung aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI verletzt, die Klägerin rechtzeitig auf die Beantragung der Altersrente hinzuweisen.

Gegen das ihr am 13.11.1998 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin mit der am 2.12.1998 eingelegten Berufung. Sie meint, die Beklagte habe sie rechtzeitig darüber aufklären müssen, dass ihr ab dem vollendeten 60. Lebensjahr eine Altersrente für Erwerbsunfähige zustehe. Weil die Beklagte dies unterlassen habe, habe sie den Antrag auf Gewährung der genannten Altersrente zu spät gestellt. Die Beklagte hätte bereits 1992 bei der Bearbeitung des Antrages auf Weitergewährung der EU-Rente erkennen müssen, dass ab März 1993 die Voraussetzungen zur Umwandlung der EU-Rente in eine Altersrente für Erwerbsunfähige vorliegen. Wäre sie entsprechend informiert worden, so hätte sie den Antrag...

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