Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherungen zum Anspruch auf Erstattung von Zahnbehandlungskosten bei stark vorgeschädigten Zähnen im Unfallversicherungsrecht

 

Orientierungssatz

1. Nach allgemeinen Grundsätzen erfordert der ursächliche Zusammenhang zwischen Folgen eines Arbeitsunfalls und der Heilbehandlung zum einen einen Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne. Hinzukommen muß nach der im Unfallversicherungsrecht geltenden Kausalitätslehre der wesentlichen Bedingung, daß die Unfallfolgen im Verhältnis zu anderen Faktoren eine wesentliche Mitursache der Notwendigkeit der Behandlung darstellen.

2. Bei der Beurteilung, ob ein Ursachenzusammenhang zwischen den Unfallfolgen und den Zahnbehandlungen gegeben ist, muß auf die objektive Behandlungsnotwendigkeit bereits vor dem Unfall abgestellt werden.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob der Kläger einen Anspruch auf Erstattung von Zahnbehandlungskosten hat, die er mit insgesamt 2.202,05 DM beziffert hat.

Der 1952 geborene Kläger erlitt am 6.10.1995 bei seiner Arbeit als Kraftfahrer einen Unfall. Dazu teilte er der Beklagten im folgenden Monat mit, beim Entladen seines Lastzuges habe er sich mit einer etwas auf Spannung stehenden Runge die beiden Eckzähne im Oberkiefer so zerschlagen, daß diese hätten gezogen werden müssen. An diesen Eckzähnen sei seit Jahren eine Teilprothese befestigt gewesen. Wegen des Unfalls habe jetzt eine vollprothetische Versorgung im Bereich des Oberkiefers erfolgen müssen.

Der Kläger begab sich noch am Unfalltag in die Behandlung des Zahnarztes Dr W in K, der feststellte, daß die einzigen noch vorhandenen Zähne im Oberkieferbereich 17, 13, 23 und 27 zerstört waren. Diese wurden am 12.10.1995 gezogen. Am gleichen Tag wurde der Kläger mit einer vorläufigen Oberkiefervollprothese versorgt. Einen Kontrolltermin am 24.10.1995 bei Dr W, an dem die Planung des weiteren Vorgehens erfolgen sollte, nahm der Kläger nicht wahr.

Dr W teilte der Beklagten im Januar 1996 mit, nach seinem Eindruck seien durch einen "eventuellen Unfall" total zerstörte Zähne "noch totaler" zerstört worden. Im darauffolgenden Monat ergänzte er, nach dem Unfall seien die Zähne 17, 13, 23 und 27 derart beschädigt gewesen, daß die Klammern der Modellgußprothese die Zähne nicht mehr berührt hätten. Die Modellgußprothese sei hin- und hergeschlottert. Deshalb habe die Notwendigkeit einer vollprothetischen Versorgung bestanden. Es sei zu bezweifeln, daß die Zahnschäden Folgen eines Unfalls seien. Er frage sich, wie an vier verschiedenen Stellen des Mundes stehende Zähne frakturieren könnten, ohne daß dabei die Prothese Schaden nehme und ohne daß die Lippen oder andere Weichteile Verletzungen erlitten.

Auf Anfrage der Beklagten teilten die Zahnärzte Dres B/C-F den im Januar 1991 und November 1995 festgestellten Zahnstatus mit. Diese Ärzte stellten im November 1995 einen Heil- und Kostenplan auf, der die Versorgung des Ober- und Unterkiefers betraf.

Durch Bescheid vom 10.4.1996 und Widerspruchsbescheid vom 22.5.1996 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Übernahme der Zahnbehandlungskosten ab. Zur Begründung hieß es, der angeschuldigte Vorfall habe nicht als rechtlich wesentliche Ursache einen Zahnschaden verursacht.

Im sich anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Koblenz (Az S 2 U 196/96) gab der Kläger an, bei dem Unfall sei seine rechte Hand, mit der er den Rungebügel gefaßt habe, gegen seinen Mund geschlagen. Dadurch sei sein rechter oberer Eckzahn so stark geschädigt worden, daß die bis dahin benutzte Oberkieferteilprothese nicht mehr fest gesessen habe. Bei dem Unfall sei es zu keinen äußeren Verletzungsfolgen im Gesicht gekommen. Er habe nur eine kleine blutende Wunde im Bereich des rechten Zeigefingers erlitten. Die Beteiligten schlossen vor dem SG einen Vergleich, worin sich die Beklagte verpflichtete, das Begehren des Klägers erneut zu prüfen und zu bescheiden.

Die Beklagte führte sodann eine Unfalluntersuchung durch. Dabei erklärte der Kläger ua, beim Lösen der Oberkieferteilprothese nach dem Unfall habe er festgestellt, daß der rechte obere "Schneidezahn" fast vollständig und der linke obere "Schneidezahn" schräg abgebrochen gewesen seien. Ob diese "Frakturen" bereits beim eigentlichen Unfallgeschehen entstanden seien oder erst bei dem danach erfolgten Lösen der Prothese, könne er nicht mehr angeben.

In einer Stellungnahme vom Januar 1997 bekräftigte Dr W seine Auffassung, die Notwendigkeit einer Gebißsanierung hätte auch ohne den Unfall bestanden.

Daraufhin lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 13.2.1997 die Rücknahme des Bescheides vom 10.4.1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.5.1996 gemäß § 44 des 10. Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB X) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt: Der frühere Bescheid sei rechtmäßig, da ein wesentlicher Ursachenzusammenhang zwischen dem angeschuldigten Vorfall und dem Zahnschaden nicht gegeben sei.

Am 4.3.1997 hat der Kläger Klage erhoben. Die Beklagte hat während des Klageverfahrens den...

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