Leitsatz (amtlich)

Ein landwirtschaftlicher Unternehmer hat nur dann Anspruch auf vorzeitiges Altersgeld, wenn bei Eintritt der EU oder mindestens bis zur vorherigen Vollendung des 60. Lebensjahres eine ununterbrochene Beitragspflicht und lückenlose Beitragszahlung von 60 Kalendermonaten bestanden.

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 01.02.1978; Aktenzeichen S 8 Lw 23/77)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.03.1979; Aktenzeichen 11 RLw 4/78)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 1. Februar 1978 aufgehoben.

Die Klage gegen den Bescheid vom 7. September 1977 wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die im … 1919 geborene Klägerin leistete 22 Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse in der Zeit vom 1. Januar 1971 bis zum 31. Oktober 1972. Zum 1. November 1972 gab sie ihr Unternehmen ab und beantragte die Gewährung von Landabgaberente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch. Bescheid vom 16. Mai 1974 ab. Vom 1. Juni 1974 bis zum 31. Juli 1977 bewirtschaftete die Klägerin ein landwirtschaftliches Unternehmen gemeinsam mit ihrem Schwager J. L.; während dieser Zeit entrichtete sie 38 Beiträge an die Beklagte.

Mit Antrag vom 15. Juli 1977 begehrte die Klägerin, ihr das vorzeitige Altersgeld nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) zu bewilligen. Die Beklagte verneinte den geltend gemachten Anspruch durch Bescheid vom 7. September 1977 mit der Begründung, die Klägerin erfülle die Voraussetzung einer ununterbrochenen Beitragszahlung nicht.

Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 12. September 1977 beim Sozialgericht (SG) Koblenz Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, das Gesetz spreche nicht von einer lückenlosen Beitragsentrichtung für 60 Kalendermonate vor dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit; eine solche Auslegung führe zu vom Gesetzgeber nicht gewollten Härten.

Die Beklagte hat an ihrer Ansicht festgehalten, daß nach der Neufassung des § 2 Abs. 1 Buchst. b GAL durch das 6. Gesetz zur Änderung und Ergänzung des GAL (6. ÄndG) vom 26. Juli 1972 (BGBl. I S 1293) bei einer Unterbrechung der Beitragsleistung kein vorzeitiges Altersgeld gewährt werden könne.

Durch Urteil vom 1. Februar 1978 hat das SG Koblenz den Bescheid vom 7. September 1977 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin das vorzeitige Altersgeld ab 1. Juli 1977 zu zahlen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Der Beklagten sei zwar zuzustimmen, daß aus dem Wortlaut des Gesetzes eine ununterbrochene Beitragszahlung herausgelesen werden könne. Einen dahingehenden Willen hätte der Gesetzgeber jedoch deutlicher zum Ausdruck bringen müssen. Er könne jedenfalls nicht unterstellt werden, weil die Auslegung zu Härten und Ungerechtigkeiten führe.

Gegen dieses ihr am 29. März 1978 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Eingang beim Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz in Mainz am 6. April 1978 Berufung eingelegt.

Sie trägt ergänzend vor:

Der Gesetzgeber habe den Bezug von Altersgeld und von vorzeitigem Altersgeld für die Zeit ab 1. Oktober 1972 bewußt erschwert. Der landwirtschaftliche Unternehmer dürfe die erforderlichen 180 oder 60 Monatsbeiträge nicht irgendwann, sondern müsse sie regelmäßig und zusammenhängend unmittelbar vor der Vollendung des 60. Lebensjahres oder dem Eintritt der Erwerbsunfähigkeit gezahlt haben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Koblenz vom 1. Februar 1978 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 7. September 1977 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig. Sie ißt nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) generell statthaft und nicht durch § 144 bis 149 SGG ausnahmsweise ausgeschlossen. Sie ist gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Berufung ist auch begründete. Das erstinstanzliche Urteil kann keinen Bestand haben. Der Klägerin steht kein vorzeitiges Altersgeld zu.

Vorzeitiges Altersgeld erhält nach § 2 Abs. 2 GAL ein Unternehmer, der erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist, mindestens bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres oder bis zum Eintritt der Erwerbsunfähigkeit mit Ausnahme der Zeiten des Bezuges eines vorzeitigen Altersgeldes und für mindestens 60 Kalendermonate Beiträge an die Landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt sowie das Unternehmen abgegeben hat. Trotz Verlusts ihrer Unternehmereigenschaft und ihrer aufgrund ärztlicher Begutachtung ab Juli 1977 anzunehmenden Erwerbsunfähigkeit erfüllt die erst im Juni 1979 60 Jahre alt werdende Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen nicht. Sie hat ihre mindestens erforderlichen 60 Monatsbeiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse nicht in dem erst mit d...

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