Verfahrensgang

SG Mainz (Urteil vom 27.09.1996; Aktenzeichen S 3 A 154/95)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 16.12.1997; Aktenzeichen 4 RA 59/97)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 27.9.1996 wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob eine Kindererziehungszeit gemäß § 56 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) beim Kläger oder bei der Beigeladenen zu berücksichtigen ist.

Der 1951 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger. Er ist seit …1993 mit der 1950 geborenen Beigeladenen verheiratet. Der Kläger und die Beigeladene sind Eltern der am … 1992 geborenen Tochter M. W.-K. Die Beigeladene ist als Reporterin und Redakteurin beim ZDF beschäftigt. Pflichtbeiträge wurden für sie durchgehend bis Dezember 1991 und wieder ab Juli 1992 gezahlt, vom 6.1.1992 bis zum 5.8.1992 bezog sie Erziehungsgeld. Der Kläger war bisher in der Bundesrepublik nicht rentenversicherungspflichtig beschäftigt, seine letzte Beschäftigung in Österreich gab er im Dezember 1992 auf. Seit dem 1.12.1992 ist er mit Hauptwohnung in Sch. gemeldet. Eine Aufenthaltserlaubnis wurde ihm am 15.2.1993 von der Kreisverwaltung Mainz-Bingen erteilt, bereits am 5.1.1993 wurde ihm der Aufenthalt gemäß § 69 Abs. 3 Ausländergesetz (AuslG) bis zum 5.4.1993 vorläufig erlaubt. Mit Bescheid vom 3.3.1993 wurde dem Kläger Erziehungsgeld ab 15.2.1993 bewilligt.

Im März 1994 gaben der Kläger und die Beigeladene bei der Beratungsstelle der Beklagten in Mainz eine Erklärung über die Zuordnung von Kindererziehungszeiten ab.

Mit Bescheid vom 2.8.1994 erkannte die Beklagte eine Kindererziehungszeit und Berücksichtigungszeit bis 31.12.1993 bei der Beigeladenen an. Der Kläger erhob Widerspruch und gab an, er habe ab dem 1.1.1993 das Kind M. allein fortlaufend ganztägig betreut. Deshalb habe er seine Beschäftigung in Österreich aufgegeben. Eine gemeinsame Erziehung durch die Mutter und den Vater habe ab 1.1.1993 nicht vorgelegen. Die Erklärung vom 20.3.1994 sei aufgrund einer Beratung in der Beratungsstelle der Beklagten in Mainz abgegeben worden und überwiegend von dem dortigen Berater ausgefüllt worden. Die Abgabe der Erklärung wäre aber wegen der alleinigen Erziehung durch ihn überhaupt nicht notwendig gewesen.

Mit Bescheid ohne Datum erkannte die Beklagte die Zeit vom 1.1.1994 bis zum 31.3.1994 als Kindererziehungszeit beim Kläger an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17.7.1995 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, die Zeit vom 1.1.1993 bis zum 31.12.1993 könne nicht beim Kläger als Kindererziehungszeit anerkannt werden, weil eine gemeinsame Erziehung durch die Eltern vorliege. Erzögen Mutter und Vater ihr Kind gemeinsam, könnten sie gegenüber dem zuständigen Rentenversicherungsträger übereinstimmend erklären, welchem Elternteil die Erziehungszeit zugeordnet werden solle. Gemeinsam erziehende Eltern könnten die Erziehungszeit auch unter sich aufteilen. Von einer gemeinsamen Erziehung durch Eltern sei stets auszugehen, wenn die Eltern mit dem Kind in häuslicher Gemeinschaft lebten. Das gelte selbst dann, wenn ein Elternteil z.B. aufgrund beruflicher Inanspruchnahme sich wenig um das Kind kümmern könne. Eine gemeinsame Erziehung liege auch vor, wenn das Kind im Haushalt eines Elternteiles lebe oder der getrennt lebende Elternteil durch regelmäßige Besuche des Kindes an der Erziehung beteiligt sei. Keine gemeinsame Erziehung, sondern Alleinerziehung liege dagegen vor, wenn bei geschiedenen Eltern das Kind im Haushalt eines Elternteils lebe und der andere Elternteil lediglich ein Besuchsrecht habe. In diesem Fall könne die Kindererziehungszeit nur dem Elternteil zugeordnet werden, der das Kind in seinem Haushalt allein erzogen habe. Werde eine übereinstimmende Erklärung nicht oder nicht wirksam abgegeben, so sei die Erziehungszeit kraft Gesetzes der Mutter zuzuordnen. Da im Fall des Klägers von einer gemeinsamen Erziehung auszugehen sei, sei die Abgabe der übereinstimmenden Erklärung erforderlich gewesen. Die übereinstimmende Erklärung der Eltern sei grundsätzlich mit Wirkung für künftige Kalendermonate abzugeben, die Zuordnung könne jedoch auch rückwirkend für bis zu zwei Kalendermonaten vor Abgabe der Erklärung erfolgen. Die gemeinsame Erklärung sei am 20.3.1994 abgegeben worden, so daß die Zeit der Kindererziehung vom 1.2.1992 bis zum 31.12.1993 der Mutter und die Zeit ab 1.1.1994 dem Vater zuzuordnen sei.

Der hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht (SG) Mainz mit Urteil vom 27.9.1996 stattgegeben und die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 1.1. bis zum 31.12.1993 als Kindererziehungszeit für den Kläger anzurechnen. Zur Begründung hat das SG im wesentlichen ausgeführt, § 56 Abs. 3 Satz 9 SGB VI sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits aufgrund seines eindeutigen und klaren Wortlautes nur auf ungleichartige Elternteile (e...

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