Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 25.08.1994; Aktenzeichen S 12 U 110/93)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.03.1997; Aktenzeichen 2 RU 17/96)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 25.8.1994 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob ein Ereignis vom April 1991 als Arbeitsunfall zu entschädigen ist.

Die 1943 geborene Klägerin ist als Verwaltungsangestellte bei der Kreisverwaltung Bad D. tätig. Am Morgen des 24.4.1991 fuhr sie mit ihrem Pkw zur Arbeitsstelle und stellte ihr Kfz auf den Parkplatz der Kreisverwaltung ab. Da sie an diesem Tag bereits mit Kopfschmerzen aufgestanden war, ging sie vor Arbeitsantritt zur nächstgelegenen Apotheke, welche etwa 300 m in entgegengesetzter Richtung zur Kreisverwaltung liegt und kaufte dort Kreislauftropfen sowie Kopfschmerztabletten ein. Auf dem direkten Rückweg zur Kreisverwaltung rutschte die Klägerin auf regennasser Fahrbahn aus und fiel auf die rechte Kniescheibe.

Nach dem Durchgangsarztbericht des Dr. K. Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Evang. Krankenhauses Bad D., vom gleichen Tag erlitt sie eine Patellamehrfragmentfraktur rechts. Die Arbeitsunfähigkeit dauerte bis zum 4.8.1991 an. Dr. K. führte in einer Mitteilung vom 31.7.1991 aus, die MdE sei danach mit 20 vH zu bewerten.

Mit Bescheid vom 28.10.1992 lehnte es der Beklagte ab, das Ereignis vom 24.4.1991 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Zur Begründung führte er unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.6.1970 (Az: 2 RU 113/68) aus, Maßnahmen zur Erhaltung von Gesundheit und Arbeitskraft seien grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Ausnahmen von diesem Grundsatz ließen sich nur dann rechtfertigen, wenn die Maßnahme dazu diene, die durch Gesundheitsstörungen erschwerte oder gefährdete Fortsetzung der Arbeit zu ermöglichen. Der Medikamenteneinkauf vor Antritt der Arbeit stelle eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit dar.

Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, zur Erhaltung ihrer Arbeitskraft sei sie auf die Besorgung der Medikamente angewiesen gewesen. Nur weil vor der Apotheke kein Parkplatz vorhanden gewesen sei, habe sie ihr Auto auf dem Parkplatz der Kreisverwaltung abgestellt. Der Weg zur Apotheke und zurück sei eine unaufschiebbare notwendige Handlung gewesen, ohne die sie die betriebliche Tätigkeit nicht hätte aufnehmen können. Das Verhalten sei deshalb der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl BSG NZA 1990, 455).

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 1.4.1993 zurückgewiesen. Zur Begründung stellte der Beklagte ergänzend fest, der Einkauf der Medikamente sei als eine unversicherte Vorbereitungshandlung vor Aufnahme der Arbeit anzusehen.

Im Klageverfahren hat die Klägerin ausgeführt, der Weg zur und von der betriebseigenen Kantine zum Zwecke der Nahrungsaufnahme sei versicherungsrechtlich geschützt (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 25.11.1992, Az: L 3 U 16/92). Diese Grundsätze seien auch dann anzuwenden, wenn die Nahrung nicht auf dem Betriebsgelände besorgt werde (Urteil des BSG vom 14.5.1985, Az: 5 a RKnU 3/84). Dies habe das BSG wiederholt entschieden (Urteil des BSG vom 5.8.1993, Az: 2 RU 2/93). Der vorliegende Fall könne nicht anders behandelt werden.

Durch Urteil vom 25.8.1994 hat das Sozialgericht den Bescheid des Beklagten vom 28.10.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.4.1993 aufgehoben und den Beklagten verurteilt, das Ereignis vom 24.4.1991 als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe die Apotheke mit dem Ziel aufgesucht, die Arbeitsfähigkeit durch die Besorgung und Einnahme entsprechender Medikamente zu erhalten. Dieser Beweggrund sei der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Er bilde eine rechtlich so wesentliche ursächliche Verknüpfung mit der Tätigkeit im Unternehmen, daß demgegenüber etwa der mit der versicherten Tätigkeit nicht zusammenhängende Wunsch, auch außerhalb der versicherten Tätigkeit geringere gesundheitliche Beschwerden zu haben, als nachrangig zu bewerten und damit als rechtlich unwesentlich auszuscheiden sei. Der Weg zur Beschaffung der für die versicherte Tätigkeit unumgänglich erforderlichen Medikamente stehe in einem engen ursächlichen Zusammenhang zur versicherten Tätigkeit. Angesichts der nicht regelmäßig auftretenden Kopfschmerzen habe es sich bei der Besorgung der betreffenden Medikamente auch nicht um eine gewohnheitsmäßige, dem persönlichen Lebensbereich der Klägerin zuzurechnende Verrichtung gehandelt. Schließlich seien Verrichtungen, die sowohl betrieblichen Zwecken als auch privaten Zwecken des Versicherten dienen würden und sich damit nicht eindeutig in einen betriebsbedingten und einen betriebsfremden Teil zerlegen ließen, versichert, wenn sie dem Betrieb zwar nicht überwiegend, aber doch wesentlich zu dienen bestimmt seien. Die Klä...

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