Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherung. Beitragspflicht von Fahrpreisvergünstigungen. geldwerter Vorteil. Pauschalbesteuerung nach § 40 EStG. einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Verfassungsmäßigkeit. vorsätzliche Vorenthaltung und Verjährung von Sozialversicherungsbeiträgen

 

Orientierungssatz

1. Pauschal versteuerte Vorteile, die ein Arbeitgeber seinen Beschäftigten in Form von Fahrpreisvergünstigungen einräumt, unterliegen als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt der Beitragspflicht in der Sozialversicherung.

2. Die Beitragspflicht von Einmalzahlungen nach § 23a SGB 4 verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

3. Zur vorsätzlichen Vorenthaltung und Verjährung von Sozialversicherungsbeiträgen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.12.2013; Aktenzeichen B 12 R 2/11 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 25.09.2008 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 27.12.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2006 insoweit aufgehoben, als die Beklagte Gesamtsozialversicherungsbeiträge nachfordert, die vor dem 01.01.2001 fällig geworden sind.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt vier Fünftel der Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch der Beklagten auf Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen von der Klägerin in Höhe von 1.121.721,68 € für die Jahre 1999 bis 2001.

Die Klägerin ist eine Konzerngesellschaft der D. AG, welche die Beförderung von Gütern im Eisenbahn- und Straßenverkehr betreibt. Nach Durchführung einer achttägigen Lohnsteuer-Außenprüfung ab dem 12.05.2003 für den Prüfungszeitraum 01.06.1999 bis 31.12.2002, stellte das Finanzamt F. mit Bescheid vom 13.02.2004 gegenüber der Klägerin eine Nachforderung über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer in Höhe von 2.034.413,18 € für den Zeitraum vom Juni 1999 bis Dezember 2001 fest, die die Klägerin nach den §§ 40, 40a, 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG) und den entsprechenden Vorschriften des Kirchensteuergesetzes schulde. Wegen der geprüften Sachverhalte und der Berechnungsgrundlagen verweist der Steuerbescheid auf den 1. Teil-Bericht über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 09.02.2004.

Der Bericht hat ausschließlich die steuerliche Auswertung unstreitiger Prüfungsfeststellungen zum Gegenstand. Danach gewährte die Klägerin ihren Arbeitnehmern im Prüfungszeitraum diverse Fahrvergünstigungen (in Gestalt von Freifahrten, Ermäßigung für Personalfahrten, Auslandsfahrkarten, Jahresnetzkarten, Schüler- und Ausbildungsfahrkarten), welche auf Antrag der Klägerin für die Zeit vom 01.06.1999 bis 31.12.2001 mit einem Pauschsteuersatz nach § 40 EStG besteuert wurden. Im Einzelnen:

·

Bei den von der Klägerin bislang nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG pauschal lohnversteuerten geldwerten Vorteile aus der Gewährung von Freifahrten und Fahrpreisermäßigungen für Personalfahrten einschließlich Auslandsfahrten waren bei der Lohnsteuer-Außenprüfung für die Kalenderjahre 1999 und 2000 Differenzen hinsichtlich der anzusetzenden Bemessungsgrundlagen der entdeckt worden. Außerdem wurden die Pauschsteuersätze unter Berücksichtigung der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum Juni 1999 bis Dezember 2001 gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG neu ermittelt und für die Nachversteuerung zugrunde gelegt.

·

Der geldwerte Vorteil für die leitenden aktiven Führungskräften zusätzlichen überlassenen Jahresnetzkarten war bis zum 30.9.2000 von der Klägerin nach § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG pauschal versteuert worden (ab 01.10.2000 erfolgte nach arbeitnehmerbezogener Erfassung der Jahresnetzkarten eine unbeanstandete individuelle Versteuerung). Im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung erfolgte eine Anpassung der Nettosteuersätze nach § 40 EStG auf der Grundlage des tatsächlich betroffenen Personenkreises. Außerdem wurde festgestellt, dass in 2000 bei den Inhabern einer Jahresnetzkarte "versehentlich" die von deren Angehörigen durchgeführten Frei-, Personal- und Auslandsfahrten bis zum 30.09.2000 bisher unversteuert geblieben waren, und wurde insoweit eine Nachversteuerung verlangt.

·

Da für 2000 und 2001 die geldwerten Vorteile der von der Klägerin an Mitarbeiter für deren Kinder ausgegebenen unentgeltlichen Schüler- und Ausbildungsfahrkarten, noch nicht versteuert worden waren, erfolgte im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung eine Nachversteuerung.

Im Wege einer Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) am 01.11.2005 wertete die Beklagte den Lohnsteuernachforderungsbescheid des Finanzamts F. vom 13.02.2004 aus und machte durch Bescheid vom 27.12.2005 gegenüber der Klägerin in Form eines Summenbescheides eine Nachforderung von insgesamt 1.121.721,68 € an Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 01.01.1999 bis 31.12.2001 geltend. Die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Arbeitsentgelt richte sich grundsätzlich nach dem Steuerrecht. Maßgebend sei die 30-jährige Verjährungsfrist des § 25 Abs. 1...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge