Entscheidungsstichwort (Thema)

Tötung der Mutter durch deren Ehemann. dem Vater zuzuordnende Kindererziehungszeit nach § 249 Abs 6 SGB 6. unzulässige Rechtsausübung

 

Orientierungssatz

1. Es stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn sich ein Vater auf seine formale Rechtsposition aus § 249 Abs 6 SGB 6 beruft und diese aber nur deshalb besteht, weil er seine frühere Ehefrau vor dem Stichtag getötet hat.

2. Dass der Anspruch wegen unzulässiger Rechtsausübung nicht geltend gemacht werden kann, ergibt auch eine teleologische Auslegung der gesetzlichen Vorschrift des § 249 Abs 6 SGB 6. Wenn gem § 105 SGB 6 derjenige, der eine Tötungshandlung begangen hat, keinen Anspruch auf eine Rente wegen Todes hat, die sich als materieller Vorteil jener Tötungshandlung darstellt, dann kann auch die im Verhältnis hierzu als ein Minus anzusehende Sozialleistung der Erhöhung der Rente wegen Berücksichtigung von Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten als materieller Vorteil einer Tötung nicht zustehen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 05.05.2015; Aktenzeichen B 5 R 18/14 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts M vom 22.8.2013 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger gewährten Altersrente, insbesondere über eine Berücksichtigung von Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten.

Der am ….10.1945 geborene Kläger war mit der am 1.10.1985 aufgrund eines von ihm begangenen Tötungsdelikts ums Leben gekommenen B. B. verheiratet. Der Kläger war wegen der von ihm begangenen Straftaten, nämlich dem Verbrechen des Mordes an seinem Nebenbuhler und dem weiteren Verbrechen des Totschlags an seiner Frau zu einer lebenslangen Gesamt-Freiheitsstrafe verurteilt worden. Dies ergibt sich aus dem vom Senat beigezogenen Urteil des Landgerichts B. K. (LG) vom 24.10.1986 - Js 9056/85 Ks. Er ist ausweislich der Haftbescheinigung vom 12.11.2001 am 24.1.2007 aus der Haft entlassen worden. Aus der Ehe sind zwei Kinder, H. (geb. 1966) und B. (geb. 1970) hervorgegangen.

Am 15.7.2010 beantragte der Kläger die Gewährung einer Regelaltersrente. Mit Bescheid vom 15.11.2010 gab die Beklagte dem Antrag statt und bewilligte ihm ab dem 1.11.2010 Regelaltersrente. Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten waren im Versicherungsverlauf des Bescheides nicht aufgeführt.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und begehrte die Anerkennung jener Zeiten für die Kinder H. und B.. Er verwies hierbei auf den Wortlaut der Vorschrift des § 249 Abs. 6 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), wonach Kindererziehungszeiten für vor dem 1.1.1986 verstorbener Frauen dem Vater zuzuordnen seien. Außerdem stellte er am 21.12.2010 einen Antrag auf Gewährung von Zuschüssen zur Krankenversicherung gemäß § 106 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), dem die Beklagte mit Bescheid vom 23.12.2010 stattgab.

Der Widerspruch, mit dem er weiterhin die Anerkennung von Kindererziehungszeiten für die beiden Kinder, höhere Altersrente und höhere Beitragszuschüsse geltend machte, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 31.5.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Eine Anerkennung dieser Zeiten und eine Erhöhung der Beitragszuschüsse könne nicht erfolgen. Es liege keine übereinstimmende Erklärung hinsichtlich der überwiegenden Erziehung im Kindesalter vor. Außerdem seien die vom Kläger begehrten Zeiten bereits im Versicherungskonto der verstorbenen Ehefrau und bei den Halbwaisenrenten der Kinder berücksichtigt worden. Zudem seien neben der Berücksichtigung dieser Zeiten bereits Leistungen, nämlich Halbwaisenrenten, erbracht worden, so dass eine entsprechende Erklärung ohnehin nicht mehr zulässig sei.

Mit der am 8.6.2011 zum Sozialgericht (SG) M. erhobenen Klage hat der Kläger seine Begehren im Wesentlichen mit gleicher Begründung weiterverfolgt. Er beruft sich weiterhin auf den Wortlaut der Vorschrift des § 249 Abs 6 SGB VI, deren einzige Voraussetzung sei, dass der Tod der Kindsmutter vor dem 1.1.1986 eingetreten sei. Diese Voraussetzung sei unstreitig erfüllt. Seine verstorbene Ehefrau habe die Kinder im Übrigen nicht erziehen können und nicht erzogen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22.8.2013 als unbegründet abgewiesen und ausgeführt, der Bescheid vom 15.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.5.2011 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er könne nicht verlangen, dass die Beklagte die Kindererziehungs- und -berücksichtigungszeiten für seine Kinder bei ihm anerkenne und ihm höhere Altersrente gewähre. Nach § 249 Abs. 6 SGB VI würden in Abweichung von § 56 SGB VI die Kindererziehungszeiten dem Vater dem Vater zugeordnet, wenn die Mutter vor dem 1.1.1986 gestorben sei. Diese Voraussetzung sei zwar erfüllt und der Wortlaut der Vorschrift sei auch eindeutig. Der Gesetzgeber habe auch weder eine Differenzierung danach vorgenommen, aus welchem Grund die Kindesmutter verstorben sei...

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