Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Betriebsweg. sachlicher Zusammenhang. objektivierte Handlungstendenz. unmittelbares Betriebsinteresse. Geschäftsräume und Wohnung in einem Gebäudekomplex. ständige oder gelegentliche Nutzung der Haustreppe für betriebliche Zwecke. Treppensturz auf dem Weg zum Serverraum

 

Orientierungssatz

Ein Versicherter, der auf dem Weg vom Serverraum im Keller zu seinem Büro- und Geschäftsräumen im ersten Obergeschoss auf der Haustreppe stürzte, nachdem er den Softwareupdates seiner Betriebssoftware durchgeführt hatte, steht dann nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn die Treppe als Unfallort nicht ständig, sondern nur gelegentlich für betriebliche Zwecke genutzt wird.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.11.2018; Aktenzeichen B 2 U 8/17 R)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 09.07.2015 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.

 

Tatbestand

Gegenstand des Verfahrens ist die Anerkennung eines Unfalls vom 28.04.2012.

Der 1968 geborene Kläger ist Gesellschafter-Geschäftsführer der bei der Beklagten versicherten a - A M P - GmbH (Geschäftszweck: Versicherungsmakler). Der Kläger beschäftigt noch zwei Mitarbeiter. In einem sechsstöckigen Mehrfamilienhaus im K-W-R in M befindet sich im 5. Obergeschoss die Privatwohnung des Klägers. Im Kellergeschoss des Gebäudes hat er einen Raum angemietet, in dem sich die Serveranlage seines Unternehmens sowie das Archiv befinden. Im 1. Obergeschoss des Gebäudes sind die ca. 120 Quadratmeter großen Büroräume des klägerischen Unternehmens. Alle Stockwerke sind über ein gemeinsames Treppenhaus verbunden, ein Aufzug ist ebenfalls vorhanden. Steigt man den zum Keller führenden Treppenabschnitt hinunter, so befinden sich rechts die Kellerräume des Unternehmens, links die privaten Kellerräume, wobei der Kläger hier ebenfalls ein privates Abteil hat. Im Erdgeschoss des Hauses befindet sich ein Laden/Kiosk, der durch einen eigenen Zugang betreten werden kann. Die Geschäftsräume des Klägers werden im Schnitt pro Tag 10-15 Mal von Kunden besucht. Diese müssen dann ebenfalls die Haustreppe im Treppenhaus benutzen, auf der der Kläger stürzte.

Am Unfalltag führte der Kläger nach Rückkehr von einem vorherigen auswärtigen Geschäftstermin ein größeres Softwareupdate mit Datensicherungsmaßnahmen in seiner Firma durch. Dieses machte es notwendig, dass er zwischen dem Computer, der sich im 1. Obergeschoss in seinen Büroräumen befindet, und dem im Kellergeschoss befindlichen Serverraum hin und her gehen musste, um den Vorgang und seinen Ablauf zu überwachen. Auf einem der dabei zurückgelegten Wege vom Serverraum im Kellergeschoss zu seinem Büro im 1. Obergeschoss stürzte er am 28.04.2012 gegen 01.30 morgens mit der linken Hand auf die Haustreppe.

Er stellte sich am gleichen Tag in der Universitätsmedizin M vor. Im ersten Durchgangsarztbericht vom 04.05.2012 wurde zunächst eine schwere Handdistorsion links festgestellt. Anschließende Folgeuntersuchungen erbrachten dann die Diagnose einer Kahnbeinfraktur links, die im Rahmen eines stationären Aufenthalts im Universitätsklinikum M vom 22.05. bis zum 24.05.2012 operativ versorgt wurde.

In seiner Unfallanzeige vom 25.05.2012 und in einem nachfolgenden Gespräch mit einem Mitarbeiter der Beklagten am 01.06.2012 gab der Kläger an, er sei von einem Außentermin gekommen und zunächst in den Keller hinabgestiegen, um den dort befindlichen Unternehmensserver auszuschalten. Er sei dann die Treppe wieder hinaufgestiegen, um ins 1. OG zu gelangen. Dabei sei er gestürzt und habe sich verletzt. Laut Gesprächsvermerk gab der Kläger weiter an, er habe seine Aktentasche im Büro ablegen wollen.

Mit Bescheid vom 05.06.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab: Lägen Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Gebäude, scheide ein Wegeunfall bereits begrifflich aus. Versicherungsschutz bestehe in diesem Fall grundsätzlich nur an der unmittelbaren Arbeitsstelle, d.h. mit Betreten der jeweiligen Arbeitsräume, nicht aber für die Wege innerhalb des Gebäudes, auch wenn sie dazu dienten Arbeitsgeräte bzw. Unterlagen zu verwahren. Da der Kläger nach dem Durchschreiten der Außenhaustür im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses gestürzt sei, sei er zum Zeitpunkt des Sturzes nicht auf einem versicherten Weg gewesen.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass kein Wegeunfall vorliege, sondern ein Unfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII. Ohne die im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit erfolgte Datensicherungsmaßnahme, wäre er überhaupt nicht an der Unfallstelle gewesen. Sämtliche Wege zwischen verschiedenen Betriebsräumen innerhalb eines Gebäudes stünden nach der Rechtsprechung unter Versicherungsschutz. Die von der Beklagten angeführte Grenze der Außenhaustür gelte nach der Rechtsprec...

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