Entscheidungsstichwort (Thema)

Wegeunfall. innerer Zusammenhang. irrtümlicher Abweg. entgegengesetzte Richtung. Geisterfahrer. Handlungstendenz. haftungsbegründende Kausalität. wesentliche Mitursache. Straßenverkehr. innere Ursache. Diabetes mellitus. Unterzuckerung

 

Orientierungssatz

Zum Vorliegen eines Wegeunfalles eines an Diabetes mellitus erkrankten Versicherten, der nach einem Geschäftsessen auf dem Nachhauseweg auf der Autobahn als "Geisterfahrer" verunglückte.

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 12.12.2003 sowie der Bescheid der Beklagten vom 5.7.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.6.2002 aufgehoben. Das Unfallereignis des Klägers vom 26.5.2000 wird als Arbeitsunfall festgestellt. Die Beklagte wird dem Grunde nach verurteilt, dem Kläger wegen dieses Unfallereignisses Entschädigungsleistungen zu gewähren.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Unfallereignis vom 26.5.2000 als Arbeitsunfall festzustellen und zu entschädigen ist.

Der 1945 geborene Kläger leidet seit 1968 an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus. Er ist als Pharmareferent und Vertreter im Außendienst bei der T W tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit traf er sich am Abend des 26.5.2000 mit dem Internisten Dr. S, M, in N im Restaurant C zu einem Geschäftsessen. Dieses dauerte von ca. 18.30 bis 21.30 Uhr. Der Kläger verzehrte einen Salat, eine Pizza und alkoholfreie Getränke. Um 21.30 Uhr verließ Dr. S das Restaurant. Nach seinen eigenen Angaben blieb der Kläger anschließend noch alleine sitzen, beglich die Rechnung und verließ schließlich das Restaurant ca. um 22.30 Uhr, um die Heimfahrt nach B anzutreten.

Hinsichtlich der örtlichen Verhältnisse wird auf die in der Verwaltungsakte der Beklagten befindliche Generalkarte der Region (Bl 278) Bezug genommen. Danach führt der kürzeste Wege von N nach B über die B 271. Eine weitere Fahrmöglichkeit führt über die Bundesautobahn (BAB) 65 oder über die B 38 in nördlicher Richtung. Der Kläger fuhr über die BAB 65. Nach seinen Angaben befuhr er zunächst die B 39 in süd-östlicher Richtung bis zur BAB 65 und wollte von der Auffahrt "N" (Nr. 13) bis zum "D" (Nr. 11) Richtung Norden fahren, um dann auf die B 38 Richtung B abzubiegen.

Der Kläger verursachte an diesem Abend als Falschfahrer (sogenannter Geisterfahrer) auf der BAB 65 mehrere Unfälle. Nach einem Auszug aus dem Tagesbericht der Polizeiinspektion E vom 27.5.2000 wurde zunächst um 22.59 Uhr von einem Verkehrsteilnehmer mitgeteilt, dass sich auf der BAB 65 in Höhe der Raststätte "P" ein Geisterfahrer in Richtung L befindet. Diese Raststätte befindet sich südlich von der Auffahrt "N" zwischen E und E. Zwischen den Autobahnanschlussstellen N und N ereigneten sich dann zwei Unfälle. Um 23.05 Uhr mussten 2 PKW dem Geisterfahrer ausweichen und kollidierten mit den Mittelleitplanken. Schließlich stieß der Kläger zwischen dem "D" und der Abfahrt "H" frontal mit einem PKW zusammen. Beide Fahrzeugführer wurden schwer verletzt. Die Strecke zwischen der Raststätte "P" und der Unfallstelle beträgt etwa 15 km.

Der Kläger stand zum Zeitpunkt des Unfalls nicht unter Alkoholeinfluss. Nach einem Polizeibericht vom 27.5.2000 gab der am Unfallort anwesende Notarzt Dr. B an, beim Kläger sei keinerlei Alkoholbeeinflussung festgestellt worden. Vielmehr sei, bedingt durch einen Diabetes, ein starker Unterzucker festgestellt worden, was die Ausfallerscheinungen erklären könnte.

Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen den Kläger wegen Gefährdung des Straßenverkehrs wurde ein Gutachten bei Prof. Dr. U vom 26.3.2001 eingeholt. Dieser wies darauf hin, dass der Kläger nach Zeugenaussagen beim Herannahen der überholenden Fahrzeuge die Lichthupe betätigte und offensichtlich in der Lage gewesen sei, über eine Strecke von mehreren Kilometern sein Fahrzeug auf der Fahrbahn zu halten. Eine Handlungsunfähigkeit habe daher nicht vorgelegen. Eine relevante Unterzuckerung sei aber nicht auszuschließen.

Im Juli 2000 hatte die Arbeitgeberin des Klägers den Unfall als Arbeitsunfall angezeigt. Der Kläger gab mit Schreiben vom 31.7.2000 an, ihm sei während der Fahrt "schwarz vor den Augen" geworden. In einem Schreiben vom 6.11.2000 gab er an, er sei vom Stadtzentrum über die Bundesstraße Richtung L gefahren, um auf die Autobahn zu kommen. Diese Richtung benutze er selten. Schlagartig, bevor er auf die Autobahnauffahrt nach L gefahren sei, sei ihm zeitweilig schwarz vor Augen und schwindelig geworden und das Bewusstsein habe zu schwinden begonnen. Er sei manchmal über die Autobahn und manchmal über die Bundesstraße gefahren. Es habe keinerlei Gründe dafür gegeben, dass er am Unfalltag für die Heimfahrt die Autobahn genommen habe. Der verkehrstechnisch günstigere Weg vom Restaurant zu seinem Wohnort sei die Bundesstraße gewesen, die ca. 2 bis 3 Kilometer kürzer sei als die Autobahn. Hierfür sei aber eine geringfügig längere Fahrzeit erford...

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