Verfahrensgang

SG Speyer (Urteil vom 24.11.1975; Aktenzeichen S 6 U 340/74)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 24. November 1975 abgeändert:

Die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 28. Oktober 1974 wird abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der 1957 geborene Kläger besuchte am 30. Oktober 1973 die Berufsschule in L., A.-C-Straße. Für die Fahrt von seinem Wohnort S. nach L. benutzte er ein Moped, flach Beendigung des Unterrichts gegen 15.15 Uhr fuhr der Kläger mit seinem Moped von der Schule in Richtung Bahnhof. An der Kreuzung Maximilianstraße – Industriestraße stieß er mit einem nach links abbiegenden Lkw zusammen und zog sich eine Gehirnerschütterung und eine Unterschenkelfraktur links mit Riß- und Platzwunden zu. Auf Befragen gab der Kläger an, er habe sich vor der Heimfahrt im Kaufhof noch Schreibmaterial für den Schulunterricht besorgen wollen.

Durch Bescheid vom 28. Oktober 1974 hat der Beklagte eine Entschädigung abgelehnt, da der Kläger nicht auf einem geschützten Weg verunglückt sei. Der Weg in Richtung Kaufhof sei ein Abweg, der nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Uhfallversicherung gestanden habe, da er dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sei. Dies gelte auch, wenn der Kläger sich Schreibmaterial habe besorgen wollen.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, da er für die Berufsschule Hefte habe einkaufen wollen, müsse sein Weg zum Kaufhof als geschützt angesehen werden. Außerdem habe er diesen Weg aus verkehrstechnischen Gründen gewählt, denn der Weg durch L. nach G. sei viel ruhiger als der direkte Weg von der Berufsschule über das Schänzel nach G.-S..

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 24. November 1975 den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Beklagten verurteilt, unter Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall dem Kläger Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren. Der Kläger sei versichert gewesen, da er sich Schreibmaterial, das er für die Schule benötige, habe besorgen wollen. Dieses Material sei als Arbeitsgerät im Sinne des § 549 Reichsversicherungsordnung (RVO) aufzufassen. Auch wenn das Schreibmaterial nicht ausschließlich für den Schulgebrauch sondern auch zur Erledigung der Hausaufgaben benutzt werde, sei die Besorgung dem schulischen Bereich zuzuordnen, da das Material in der Schule benötigt werde. Da der Kläger auch bereits im zweiten Jahre des Berufsschulunterrichtes sich befunden habe, handele es sich rechtlich nicht um eine erstmalige Anschaffung, sondern um eine Erneuerung des Arbeitsgerätes. Unter diesen Umständen könne dahingestellt bleiben, ob der vom Kläger vorgesehene Weg aus Verkehrs technischen Gründen noch als geschützter Heimweg angesehen werden könne.

Gegen das am 1. Dezember 1975 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 4. Dezember 1975 Berufung eingelegt. Das Besorgen von Schreibmaterial sei vorliegend nicht als geschützt anzusehen, da es nicht alsbald in der Schule habe verwendet werden müssen. Der Unterricht sei bereits beendet gewesen, so daß das Material erst für den Schulbesuch in der folgenden Woche notwendig gewesen sei. Im übrigen habe sich der Kläger eindeutig auf einem Umweg befunden.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er habe keine Möglichkeit, an normalen Arbeitstagen sich Schreibmaterial zu besorgen. Im übrigen habe er das Material am gleichen Tage noch für die Erledigung seiner Hausaufgaben verwenden wollen, da er üblicherweise seine Aufgaben am Tage des Schulbesuches erledige. Im Übrigen bleibe er dabei, daß die Strecke am Kaufhof vorbei nach G. nicht wesentlicher weiter, dafür aber wesentlich ungefährlicher sei.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die nach §§ 143 ff. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Beklagten hat Erfolg. Die Voraussetzungen für Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung sind entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht erfüllt.

Zwar gehört der Kläger zu dem geschützten Personenkreis des § 539 Abs. 1 Nr. 14 c RVO als Lehrling, der eine Berufsschule besucht. Der Weg nach und von der Schule ist daher nach § 550 RVO geschützt, wenn er in einem wesentlichen inneren ursächlichen Zusammenhang zu dem Schulbesuch steht. Das ist jedoch nicht der Fall, wenn der Weg nicht der Erreichung der Wohnung, der Arbeitsstelle oder der Schule dient, sondern, wie hier, ein Kaufhaus aufgesucht werden soll, um Besorgungen zu machen. Soweit nicht die besonderen Voraussetzungen des § 549 RVO vorliegen, ist das Einkaufen sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Schülern dem nicht versicherten eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen, so daß der Weg zur Einkaufstätte, auch wenn er von der Arbeitsstelle oder der Schule aus angetreten wird, grundsätzlich...

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