Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterngeld. nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer. Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG 2004. Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG

 

Orientierungssatz

1. Die durch Art 6 Abs 8 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (juris: EURLAsylUmsG) vom 19.8.2007 (BGBl I 2007, 1970) eingeführte Regelung § 1 Abs 7 Nr 2 Buchst d BEEG steht mit der Verfassung im Einklang.

2. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf die Gewährung von Elterngeld einer nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländerin, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 AufenthG 2004 ist.

 

Nachgehend

BSG (Vorlegungsbeschluss vom 15.12.2011; Aktenzeichen B 10 EG 15/10 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 26.03.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Anspruch auf Gewährung von Elterngeld.

Die 1988 geborene Klägerin, die serbische Staatsangehörige ist, reiste als Minderjährige mit ihren Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein. 2008 wurde ihr eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs 1 S 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt, die bis zum 31.12.2009 befristet war und die Klägerin zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Im Dezember 2008 beantragte die Klägerin die Gewährung von Elterngeld für ihre 2008 geborene Tochter N. für die ersten zwölf Lebensmonate. Sie ist ledig und lebt allein mit ihrem Kind. Mit Bescheid vom 27.01.2009 lehnte die Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises den Antrag ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin erfülle nicht die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Elterngeld, da sie im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG sei. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin geltend, der Ausschluss von Personen mit einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a AufenthG sei eventuell verfassungswidrig und wies auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) vom 06.07.2008 (1 BvR 2515/95) hin. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, der Klägerin stehe gemäß § 1 Abs 7 Nr. 2 Buchstabe d des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) als nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin Elterngeld nicht zu. Mit Beschluss vom 06.07.2004 habe das BVerfG § 1 Abs 1a S 1 Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) für mit Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) unvereinbar erklärt. Das BEEG sei nicht Gegenstand dieser Entscheidung gewesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 30.03.2009 Klage beim Sozialgericht (SG) Koblenz erhoben und vorgetragen, sie befinde sich seit siebzehn Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, verfüge über sehr gute deutsche Sprachkenntnisse und habe einen Hauptschulabschluss gemacht. An der Verfassungsmäßigkeit der hier in Rede stehenden Vorschrift des § 1 Abs 7 BEEG beständen erhebliche Zweifel. Dies ergebe sich beispielsweise auch aus Entscheidungen des SG Nürnberg (Urteil vom 19.11.2007 - S 9 EG 27/05) und des Landessozialgerichts (LSG) Hessen (Beschluss vom 04.08.2008 - L 6 B 75/08 EG).

Das SG Koblenz hat die Klage durch Urteil vom 26.03.2010 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach § 1 Abs 7 BEEG sei ein nicht freizügigkeitsberechtigter Ausländer oder eine nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin nur anspruchsberechtigt, wenn diese Person eine Niederlassungserlaubnis (Nr 1) oder eine Aufenthaltserlaubnis besitze, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe, es sei denn, die Aufenthaltserlaubnis sei nach § 104a AufenthG erteilt. Dieser Fall sei hier gegeben. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift habe das Gericht nicht. Die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BVerfG und des SG Nürnberg bezögen sich nicht auf die Vorschriften des BEEG.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 20.04.2010 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 29.04.2010 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das BVerfG habe in seiner Entscheidung vom 06.07.2004 sinngemäß ausgeführt, dass bei Regelungen zur Begrenzung von Leistungen zur Erziehungshilfe für Ausländer immer eine Prognose über die Dauer des Aufenthaltes in Deutschland zu treffen sei. Sie, die Klägerin, sei seit dem 01.01.2010 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 23 AufenthG, die auf Dauer angelegt sei (Bl 97 Prozessakte - PA -). Es sei auch nicht ersichtlich, dass sie in absehbarer Zeit ihren Anspruch auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis verliere, selbst wenn sie für längere Zeit weitere staatliche Leistungen in Anspruch nehmen müsse. Der Gesetzgeber habe es versäumt, den Vorgaben des BVerfG bei der Verabschiedung des BEEG Rechnung zu tragen. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in seiner Entscheidung vom 30.09.2010 (B 10 EG 9/09 R) die Anspruchsvoraussetzungen für Elterngeld an Ausländer teilweise mit dem GG für nicht vereinbar era...

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