Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vergütung von Krankentransportleistungen zur ambulanten Behandlung mittels Krankentransportwagen. Voraussetzung einer vertraglichen Vereinbarung. Bindungswirkung einer ärztlichen Verordnung. Notwendigkeit einer vorherigen Genehmigung unabhängig vom Transportmittel

 

Orientierungssatz

1. Vergütungsansprüche eines Leistungserbringers gegen eine Krankenkasse entstehen nur, wenn zwischen den Beteiligten eine vertragliche oder zumindest eine konkludente Vereinbarung über die Leistungserbringung besteht, der Leistungserbringer vom Leistungsträger im konkreten Fall oder allgemein mit der Erbringung der Leistung, für die eine Vergütung beansprucht wird, beauftragt wurde und er bei der Erbringung der Leistung die gesetzlichen und untergesetzlichen, einschließlich der vertraglichen Vorgaben eingehalten hat. Andernfalls entsteht kein Vergütungsanspruch, selbst wenn die Versorgung im Übrigen ordnungsgemäß erbracht wurde. Insbesondere bestehen dann grundsätzlich auch keine bereicherungsrechtlichen Ansprüche gegen den Leistungsträger.

2. Für die Beauftragung des Leistungserbringers reicht die ärztliche Verordnung der Leistung grundsätzlich nicht aus. Die ärztliche Verordnung entfaltet Bindungswirkung im Verhältnis zu Versicherten und Leistungserbringern nur, wenn ihr diese Wirkung für die Beteiligten verbindlich zugewiesen ist und demgemäß die Leistungsbestimmung dem Vertragsarzt zugewiesen ist. Ist das nicht der Fall, fällt es grundsätzlich in den Risikobereich des Leistungserbringers, wenn er ohne vorherige Beauftragung durch die Krankenkasse eine Leistung erbringt (vgl BSG vom 17.7.2008 - B 3 KR 16/07 R = SozR 4-2500 § 69 Nr 5).

3. Eine in einem "Vertrag nach § 133 SGB 5 über die Durchführung und Vergütung von Krankentransportleistungen" geregelte vorherige Genehmigungspflicht für Krankenbeförderungen mittels Krankentransportwagen zu ambulanten Behandlungen ist wirksam; sie verstößt insbesondere nicht gegen höherrangiges Recht.

4. Das Erfordernis einer Vorabgenehmigung der Krankenbeförderung zu ambulanten Behandlungen ergibt sich unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung in § 60 Abs 1 S 3 SGB 5 und zwar auch für Fälle der Krankenbeförderung mittels Krankentransportwagen iS des § 60 Abs 2 S 1 Nr 3 SGB 5.

5. Das in § 60 Abs 1 S 3 SGB 5 geregelte Erfordernis der Vorabgenehmigung gilt unabhängig vom Transportmittel für alle Krankenbeförderungen einschließlich der Beförderung mittels Krankentransportwagen zu ambulanten Behandlungen, soweit das Gesetz oder die Krankentransport-Richtlinien (juris: KrTRL 2004) keine Ausnahme vorsehen.

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 16.2.2011 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen hat die Klägerin zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen dem klagenden Krankentransportunternehmen und der beklagten Krankenkasse ist streitig, ob die Vergütung für die Beförderung einer bei der Beklagten Versicherten zu einer ambulanten Behandlung in einem Krankentransportwagen von einer Vorabgenehmigung der Beförderung durch die Beklagte abhängig gemacht werden darf.

Die Klägerin ist ein nach dem Rettungsdienstgesetz Nordrhein-Westfalen zugelassenes Krankentransportunternehmen mit Sitz in Rheinland-Pfalz. Der zwischen der Klägerin und u.a. einer der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten, der Knappschaft, geschlossene "Vertrag nach § 133 SGB V über die Durchführung und Vergütung von Krankentransportleistungen" vom 7.2.2008 (im Folgenden "Vertrag") enthält u.a. folgende Bestimmungen:

§ 1 Gegenstand des Vertrages

Dieser Vertrag regelt Einzelheiten der Durchführung von medizinisch notwendigen Beförderungen mittels Krankentransportwagen (KTW) für Versicherte der vertragsschließenden Krankenkassen im Rahmen des § 60 SGB V i.V.m. den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransport-Richtlinien) in der jeweils gültigen Fassung. Über Änderungen hat sich der Leistungserbringer selbst zu informieren. Weiterhin regelt der Vertrag die Vergütung und Abrechnung dieser Beförderungen.

§ 3 Durchführung der Leistung

(1) Beförderungen dürfen nur dann zu Lasten der Krankenkassen durchgeführt werden, wenn eine auf den Namen der zuständigen Krankenkasse ausgestellte ärztliche Verordnung entsprechend den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransport-Richtlinien) - in der jeweils gültigen Fassung - vorliegt (Muster 4) und kein anderer Sozialleistungsträger vorrangig zur Leistung verpflichtet ist (z.B. Träger der Unfallversicherung).

(3) Die Krankenkassen übernehmen Fahrkosten zu einer ambulanten Behandlung in Höhe des die Zuzahlung nach § 61 Satz 1 SGB V übersteigenden Betrages nur nach vorheriger Genehmigung in besonderen Ausnahmefällen, die der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 12 SGB V (Krankentransport-Richtlinien) festgelegt...

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