Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostentragung für eine Rettungsfahrt zum Versicherten, die nicht zum Krankenhaus fortgesetzt wird. Krankenversicherung. Fahrkosten. Kostenerstattung für Einsatz eines Rettungswagens. Kostenübernahme von sogenannten Fehlfahrten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die notwendige Anfahrt des Rettungstransportwagens zum Versicherten ist Teil der Rettungsfahrt zum Krankenhaus, deren Kosten grundsätzlich von der Krankenkasse zu tragen sind.

2. Eine Rettungsfahrt zum Krankenhaus liegt auch vor, wenn die Fahrt wegen eines zur Zeit der Anforderung der Fahrt lebensbedrohlich erscheinenden Zustands mit dem Ziel eines Transports zum Krankenhaus veranlasst worden ist, es aber aus tatsächlichen (etwa Tod des Versicherten) oder medizinischen (objektiv kein lebensbedrohlicher Zustand) Gründen nicht zu einem Transport in das Krankenhaus kommt.

 

Orientierungssatz

1. Die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB 5 sind auch für die Erstattung der Kosten für den Einsatz eines Rettungswagens erfüllt.

2. Die Leistungspflicht der Krankenkasse besteht auch für solche Rettungsfahrten, die nur mit dem Ziel der Verbringung des Versicherten in ein Krankenhaus begonnen worden sind, es aber zu einer solchen Fahrt nicht kommt.

 

Normenkette

SGB V § 60 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 1 S. 1, § 61 Abs. 1, § 13 Abs. 3 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.11.2008; Aktenzeichen B 1 KR 38/07 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 17.10.2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Kosten des Einsatzes eines Rettungstransportwagens.

Die 1964 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Am Morgen des 12.05.2006 klagte die Klägerin, bei der seit etwa zwei Wochen ein grippaler Infekt bestand, über Luftnot und thorakale Schmerzen beim Husten. Ihre Mutter wandte sich daraufhin an den Rettungsdienst. Bei dem Telefonat wurde der Verdacht auf einen Herzinfarkt geäußert. Der Leitstellendisponent alarmierte sowohl einen Rettungstransportwagen (RTW) als auch den Notarzt. Dieser fand bei der körperlichen Untersuchung unauffällige Vitalparameter und ein abgeschwächtes Atemgeräusch über dem rechten Lungenflügel. Eine Pneumonie konnte nicht ausgeschlossen werden, ein bei thorakalen Schmerzen und Luftnot differenzialdiagnostisch in Erwägung zu ziehendes akutes Coronarsyndrom oder eine Lungenembolie erschienen auf Grund der Anamnese eher unwahrscheinlich. Der Notarzt verordnete wegen der Pneumonie eine Beförderung ins Krankenhaus, die von der Klägerin abgelehnt wurde, da sie wegen der Versorgung ihrer Kinder sich zu Hause behandeln lassen wollte.

Mit Bescheid vom 16.05.2006 stellte die Stadt F als Träger des Rettungsdienstes der Klägerin Rettungsdienstgebühren in Höhe von 141,42 Euro für den Einsatz des Rettungswagens in Rechnung. Die im fraglichen Zeitraum geltende Gebührensatzung für den Rettungsdienst sah in Ziffer 6 für einen bestellten, aber nicht genutzten RTW oder Krankentransportwagen (KTW) eine Gebühr in Höhe von 50 % der Grundgebühr für die Benutzung eines RTW oder einen KTW vor. Die Grundgebühr für die Benutzung eines RTW betrug einschließlich der Leitstellenabgabe 242,83 Euro. Wegen Einzelheiten der Gebührensatzung wird auf Bl. 89 - 91 der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Stadt F rechnet in der Regel die Gebühren unmittelbar mit der Krankenkasse ab. Da die Beklagte aber die Kostenübernahme für sogenannte Leerfahrten verweigert, werden die Versicherten in diesen Fällen unmittelbar in Anspruch genommen. Die Klägerin hat die Rettungsgebühren am 24.05.2006 bezahlt.

Der von der Klägerin zur Erstattung eingereichte Gebührenbescheid wurde von der Beklagten am 24.05.2006 mit dem Stempelaufdruck "keine Erstattung" an die Klägerin zurückgesandt. Da diese einen schriftlichen Bescheid wünschte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.05.2006 eine Kostenerstattung ab. Es habe sich um eine sogenannte Fehlfahrt gehandelt. Fehlfahrten würden in der Regel bei der Gesamtkalkulation zur Entgeltbemessung für die Inanspruchnahme von Leistungen des Rettungsdienstes mitberücksichtigt. Insofern sei bei der Stadt F eine Rücknahme des Bescheides zu beantragen. Kosten für den Einsatz des Rettungswagens ohne eine Beförderung könnten nicht übernommen werden. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Stadt F habe sie darauf hingewiesen, dass eine gebührenfähige Rettungsfahrt unabhängig von der tatsächlichen Transportleistung bereits mit dem Ausrücken des RTW zum Zwecke einer Rettungsfahrt beginne. Sie habe im Übrigen auf den Transport nur verzichtet, weil ihr der Notarzt versichert habe, dass die Lungenentzündung auch zu Hause behandelt werden könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ein Anspruch auf Fahrkosten wegen einer Rettungsfahrt setze zwingend voraus, dass ein Transpo...

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