Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Herausgabe der medizinischen Unterlagen eines Behandlungsfalls. Zuständigkeit. MDK

 

Orientierungssatz

Dem Gesetz kann nicht entnommen werden, dass ausschließlich der Medizinische Dienst der Krankenversicherung des Bundeslandes, in dem der zu überprüfende Leistungsfall stattgefunden hat, zuständig wäre (vgl LSG Essen vom 27.3.2003 - L 5 KR 141/01 = KRS 03.032). Das Urteil des BSG vom 21.8.1996 - 3 RK 2/96 = SozR 3-2500 § 39 Nr 4 rechtfertigt ebenfalls kein anderes Ergebnis.

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 08.11.2016; Aktenzeichen 1 BvR 935/14)

BSG (Urteil vom 17.12.2013; Aktenzeichen B 1 KR 52/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 30.06.2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem beklagten Krankenhaus im Rahmen einer Abrechnungsprüfung die Herausgabe der medizinischen Unterlagen eines Behandlungsfalles an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Rheinland-Pfalz.

Die Beklagte betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zur Behandlung der Versicherten der klagenden Krankenkasse zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde in der Zeit vom 16.10. bis 10.11.2009 der 1937 geborene Versicherte der Klägerin G (im Folgenden: Versicherter) stationär behandelt. Die Beklagte stellte der Klägerin am 25.11.2009 unter Zugrundelegung der DRG E65C insgesamt 3.953,29 Euro in Rechnung.

Die Klägerin beglich die Rechnung zunächst und beauftragte sodann den MDK Rheinland-Pfalz mit der Prüfung, ob der stationäre Aufenthalt und dabei insbesondere die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet gewesen sei. Mit Schreiben vom 02.12.2009 bat der MDK das beklagte Krankenhaus unter Hinweis auf §§ 275 Abs. 1, 276 Abs. 2 i. V. m. § 112 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) um Übersendung des ärztlichen Entlassungsberichts, der Fieberkurven, des Pflegeberichtes, der Operations-, PTCA-, PTR-Berichte sowie der Labordaten. Eine Reaktion der Beklagten erfolgte nicht. Nachdem der MDK den Vorgang unerledigt an die Klägerin zurückgegeben hatte, teilte diese der Beklagten mit Schreiben vom 27.05.2010 mit, es werde Klage erhoben, sofern die Herausgabe der Unterlagen nicht bis zum 10.06.2010 erfolge.

Am 16.08.2010 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und ihr Herausgabeverlangen weiterverfolgt. Sie hat vorgetragen, sie sei prozessführungsbefugt, da der Anspruch auf Herausgabe von Behandlungsunterlagen eines Krankenhauses ihr und nicht dem MDK zustehe. Dem Gesetz könne auch nicht entnommen werden, dass ausschließlich der MDK des Bundeslandes, in dem der zu überprüfende Leistungsfall stattgefunden habe, zuständig sei; dies habe das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bereits im Jahr 2003 entschieden (Urteil vom 27.03.2003 - L 5 KR 141/01 -).

Die Klägerin hat schriftsätzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, die für die medizinische Begutachtung erforderlichen Unterlagen (vollständige Krankenakte und Pflegedokumentation) über den stationären Aufenthalt des Versicherten G in der Zeit vom 16.10.2009 bis zum 10.11.2009 dem MDK Rheinland-Pfalz zur Prüfung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Überlassung von Behandlungsunterlagen an den MDK Rheinland-Pfalz, denn dieser sei nicht für die Überprüfung von Behandlungsfällen in Nordrhein-Westfalen zuständig. Aus der föderalistischen Struktur des MDK i.V.m. § 278 Abs. 1 SGB V ergebe sich die Geltung des sog. "Tatortortprinzips". Aufgrund der landesbezogenen Organisation der Medizinischen Dienste der Krankenversicherung sei von einer konkludenten Zuständigkeitszuweisung auszugehen. Zudem stünden Aspekte der ärztlichen Schweigepflicht und des Datenschutzes einer Überprüfung durch den MDK Rheinland-Pfalz entgegen. Ferner ergebe sich auch aus den Richtlinien über die Zusammenarbeit der Krankenkassen mit den Medizinischen Diensten der Krankenversicherung, dass der MDK eines anderen Bundeslandes nur ausnahmsweise und nicht - wie von der Klägerin durchgeführt - systematisch beauftragt werden könne.

Durch Gerichtsbescheid vom 30.06.2011, auf dessen Gründe verwiesen wird, hat das Sozialgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.

Gegen den ihr am 18.07.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 26.07.2011 Berufung eingelegt. Sie vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, der MDK sei eine Einrichtung auf Landesebene. Aus der landesbezogenen Organisation des MDK ergebe sich, dass ausschließlich der MDK Nordrhein-Westfalen zuständig sei. Nehme die Klägerin in erheblichem Umfang eine nicht der zuständigen Aufsicht des Landes NRW unterliegende Einrichtung in Anspruch, entziehe die Klägerin diese Sachverhalte der Kontrolle durch die zuständige Aufsic...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge