Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Spitzenverbände. Aufnahme. Hilfsmittel. Hilfsmittelverzeichnis

 

Orientierungssatz

Zur Verpflichtung der Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung zur Aufnahme eines Hilfsmittels ≪hier Hüftprotektor≫ in das Hilfsmittelverzeichnis.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 08. November 1999 geändert. Die Beklagten werden unter Aufhebung des Bescheides vom 15.09.1998 verurteilt, das Produkt "Safehip ®", bezogen auf die von der Beklagten bislang geprüften Unterprodukte "Safehip Kompakt" und "Safehip Top" in das Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbände der Krankenkassen aufzunehmen. Die Beklagten tragen die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Instanzen gesamtschuldnerisch. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagten Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verpflichtet sind, die von der Klägerin unter dem Namen "Safehip ®" vertriebenen Hüftprotektoren in das Hilfsmittel- (HM-) Verzeichnis aufzunehmen.

"Safehip®" ist ein mit einer CE-Kennzeichnung versehender Hüftprotektor eines dänischen Herstellers. Er besteht aus zwei anatomisch geformten Schalen, die in eine sie fixierende Hose so eingenäht sind, dass die Schalen rechts und links unterhalb des Hüftknochens liegen und den Oberschenkelknochen überdecken. Bestanden die Protektoren, zum Beispiel bei den streitgegenständlichen Unterprodukten "Safehip Kompakt" und "Safehip Top", zunächst aus Hartschaum, so sind im Laufe der Zeit hufeisenförmige Weichschaumprotektoren, beispielsweise getragen in gesondert auswechselbaren Hosen oder in Gürtelform, entwickelt worden. Bei einem Sturz soll die Aufprallenergie vom Trochanter (Rollhügel am Oberschenkelknochen) auf das umliegende Weichteilgewebe abgelenkt und so ein Bruch des Oberschenkelknochens vermieden werden. Zielgruppe sind Patienten, die an manifester Osteoporose leiden, bei denen ein erhöhtes Sturzrisiko besteht oder die bereits eine Oberschenkelhalsfraktur erlitten haben.

Zunächst wurde "Safehip®" durch die Fa. U & Co mbH, I, vertrieben. Mit Bescheiden vom 04.07.1996 und 20.01.1997 lehnten die Beklagten durch die Beklagte zu 3) eine Aufnahme in das HM-Verzeichnis ab. Zur Begründung führten sie aus, es falle in die Eigenverantwortung der betroffenen Versicherten, sich vor weiteren Brüchen zu schützen; eine Leistungsverpflichtung der GKV sei nicht gegeben. Im Übrigen könne der Schutz vor schwerwiegenden Folgen eines Sturzes bei dem oben genannten Personenkreis auch durch wirtschaftlichere Maßnahmen, z. B. durch Einlegen eines handelsüblichen Schaumgummipolsters, erreicht werden. Der Einsatz von Hüftprotektoren stelle keine gezielte Krankenbehandlung dar; denn die Produkte nahmen nicht aktiv auf Funktionsdefizite Einfluss. Auch werde bei Verwendung von Hüftprotektoren keine Behinderung ausgeglichen. Ein therapeutischer Nutzen sei nicht erkennbar.

Mit Wirkung vom 01.10.1997 übertrug die Fa. U & Co mbH die Rechte an dem "Safehip ®" auf die Klägerin, die die Produkte in Deutschland und Österreich vertreibt. Mit Schreiben vom 01.12.1997 suchte die Klägerin um Aufnahme des Produktes in das HM-Verzeichnis nach. Sie vertrat die Ansicht, "Safehip ®" diene als sog. Kombinationsbehandlung sowohl dem Einsatz zum Zwecke der Krankenbehandlung bei Osteoporose als auch dem Behinderungsausgleich bei einer als Funktionsdefizit bestehenden erhöhten Frakturneigung. Eine bloße Auspolsterung mit Schaumgummipolster sei kein ausreichend erprobtes und damit nicht hinreichend effektives Mittel. Mit Bescheid vom 15.09.1998 lehnten die Beklagten den Antrag wiederum ab. "Safehip®" sei kein HM der gesetzlichen Krankenversicherung und diene nicht dem Ausgleich einer Behinderung. Da dies jedoch eine gesetzliche Voraussetzung für die HM-Eigenschaft sei, habe keine Notwendigkeit bestanden, den therapeutischen Nutzen zu prüfen.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 30.11.1998 Klage zum Sozialgericht (SG) Köln erhoben und u. a. unter Hinweis auf ein Gutachten von Prof. Dr. N vom 15.11.1995 und Untersuchungsergebnisse von Runge/Schacht vom 24.07.1996 zur Begründung vorgetragen, "Safehip®" diene u. a. der Sicherung des Erfolges der Osteoporosebehandlung und sei ein geeignetes Therapeutikum zur Behandlung des sog. Sturzsyndroms, einer eigenständigen Erkrankung. Neben einem kausalen Beitrag zur Krankenbehandlung sei "Safehip®" auch die Zweckrichtung des Behinderungsausgleichs zu eigen. Bei Versicherten mit einer erheblichen Frakturgefahr ermögliche "Safehip®" deren Teilnahme am normalen gesellschaftlichen Leben, da die Frakturgefahr durch die Protektoren "beherrschbar" werde. Dem stehe nicht entgegen, dass nicht aktiv Einfluss auf Funktionsdefizite genommen werde, da dies nicht zu den Wesensmerkmalen des HM-Begriffs gehöre. Funktionstauglichkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit von "Safehip®" seien zudem nachg...

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