Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG. kein Anspruch aus unmittelbarer Anwendung der EGRL 83/2004. Asylbewerberleistung. Anspruch auf Analogleistungen nach § 2 AsylbLG. Erfüllung der Vorbezugszeit durch Bezug anderer Sozialleistungen als Grundleistungen bzw durch Nichtbezug von Sozialleistungen wegen bedarfsdeckenden Einkommens

 

Orientierungssatz

1. Aus Art 28 Abs 1 EGRL 83/2004 folgt kein unmittelbarer Leistungsanspruch nach dem SGB 2, da diese Vorschrift keine konkrete Ausgestaltung von Leistungen der Sozialhilfe festlegt, die allein aus dem Richtlinientext heraus klar erkennbar und der Leistungshöhe nach bezifferbar wäre (Anschluss an BSG vom 28.5.2015 - B 7 AY 4/12 R = BSGE 119, 99 = SozR 4-3520 § 2 Nr 5).

2. Auch Zeiten des Bezugs von Leistungen nach dem SGB 2 sind als Vorbezugszeiten für Analogleistungen iS des § 2 Abs 1 AsylbLG zu berücksichtigen (Anschluss an BSG vom 28.5.2015 - B 7 AY 4/12 R = BSGE 119, 99 = SozR 4-3520 § 2 Nr 5).

3. Zeiten ohne jeglichen Sozialleistungsbezug aufgrund bedarfsdeckenden Einkommens sind ebenfalls als Vorbezugszeiten zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 14.06.2018; Aktenzeichen B 14 AS 28/17 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 11.03.2013 geändert.

Die Beigeladene wird verurteilt, den Klägern Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz für die Zeit vom 01.10.2006 bis zum 30.06.2007 und vom 01.11.2010 bis zum 30.11.2010 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt 1/8 der außergerichtlichen Kosten der Kläger im ersten Rechtszug.

Der Beigeladene trägt 7/8 der außergerichtlichen Kosten der Kläger im ersten Rechtszug und die außergerichtlichen Kosten der Kläger im zweiten Rechtszug in vollem Umfang.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger streiten um Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.10.2006 bis zum 30.04 2010 und 01.11.2010 bis 30.11.2010.

Die Klägerin zu 1) ist die Mutter der zwischen 1993 und 2001 geborenen Kläger zu 2) bis 7). Alle Kläger sind irakische Staatsangehörige. Sie sind im Jahr 2002 aus dem Irak in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Als Grund für Ihre Einreise gab die Klägerin zu 1) gegenüber dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge an, dass sich der Ehemann bereits seit dem Jahr 1999 in Deutschland aufgehalten habe und die Situation ohne ihn im Irak sehr schwierig gewesen sei, sowohl in finanzieller Hinsicht, als auch im Bezug auf die Betreuung der Kinder. Mit Bescheid vom 01.12.2012 wurde der Asylantrag der Kläger abgelehnt und festgestellt, dass weder ein Abschiebungsverbot nach § 51 AuslG in der bis zum 31.12.2004 gültigen Fassung noch ein Abschiebehindernis nach § 53 AuslG vorlägen. Die Klage gegen diesen Bescheid wies das Verwaltungsgerichts Düsseldorf mit Urteil vom 30.04.2004 ab. Seit 06.07.2004 sind die Kläger im Besitz einer Duldung nach § 60a AufenthG.

Der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) bis 7), O. Z. B., ist ebenfalls irakischer Staatsangehöriger. Er wurde zunächst durch Bescheid vom 08.06.1999 als Flüchtling anerkannt. Ein zwischenzeitlich erfolgter Widerruf dieser Anerkennung wurde wieder aufgehoben. Seit 17.10.2008 verfügt er über eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 3 AufenthG. Außerdem sind zwei weitere Kinder der Ehepartner nach § 26 AsylVfG als Flüchtlinge anerkannt. Sie haben eine Aufenthaltsgenehmigung nach § 20 Abs. 2 AufenthG. Ein weiteres Kind, das nach dem hier streitgegenständlichen Zeitraum geboren wurde, hat die deutsche Staatsangehörigkeit.

Nach ihrer Einreise bezogen die Kläger zunächst bis April 2004 Grundleistungen nach § 3 AsylbLG. Anschließend erhielten sie nach Auskunft des Beigeladenen keine Leistungen, da der Ehemann der Klägerin zu 1) Einkommen aus Erwerbstätigkeit bezog, das den Bedarf auch der Antragsteller vollständig deckte. Im Zeitraum vom 01.01.2005 bis zum 31.03.2006 bezogen sie Leistungen nach dem SGB II vom Beklagten. Vom 01.05.2006 bis zum 30.06.2007 erhielten sie erneut Leistungen nach § 3 AsylbLG. Im Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 31.05.2010 bezogen sie Leistungen nach § 2 AsylblG von der Beigeladenen. Der Beklagte gewährte den Klägern sowie dem Ehemann und zwei weiteren Kindern mit Bescheid vom 29.03.2006 zunächst auch für den Zeitraum vom 01.04.2006 bis zum 30.09.2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II i.H.v. 1.848,00 EUR monatlich. Mit Bescheid vom 31.03.2006 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung gegenüber den Klägern jedoch wieder auf und forderte diese zur Erstattung eines Betrages in Höhe von insgesamt 1.444,30 EUR auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kläger wussten oder hätten wissen müssen, dass der ihnen zuerkannte Anspruch ganz oder teilweise im Sinne des § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 SGB X weggefallen sei. Die Klägerin sei nicht leistungsberechtigt nach...

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