Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Krankenhaustagegeld. keine zweckbestimmte Einnahme. Aufhebung und Erstattung von Leistungen. Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010

 

Orientierungssatz

1. Das an einen Arbeitsuchenden ausgezahlte Krankenhaustagegeld aus einer privaten Versicherung stellt zu berücksichtigendes Einkommen iS des § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 2 AlgIIV dar.

2. Die Leistungen aus der Krankenhaustagegeldversicherung sind nicht von einer bedarfsmindernden Anrechnung auf das Arbeitslosengeld II ausgenommen. Sie werden weder in § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 erwähnt noch fallen sie unter die nach § 11 Abs 3 SGB 2 privilegierten zweckbestimmten Einnahmen.

3. Die Aufhebung und Erstattung von Leistungen nach dem SGB 2 ist nur individuell von jedem einzelnen Leistungsbezieher unter Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen und maximal in Höhe der diesem individuell gewährten Leistungen (§ 9 Abs 2 S 3 SGB 2) möglich. Das Rückabwicklungs- bzw Erstattungsverhältnis ist das "Spiegelbild" (actus contrarius) des Leistungsverhältnisses. Bei einer Aufhebung der Leistungsbewilligung ist konkret zu prüfen, für welches Mitglied der Bedarfsgemeinschaft Leistungen in welcher Höhe zu Unrecht bewilligt wurden und wer entsprechende Leistungen zu Unrecht erhalten hat.

4. Auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09 = NJW 2010, 505 ergibt sich zur Überzeugung des Senats keine andere Wertung. Der Senat ist nicht davon überzeugt, dass es sich bei den durch die Krankenhausaufenthalte des Hilfebedürftigen ggf entstandenen, zusätzlichen Kosten um einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf iS der vorgenannten Entscheidung handelt. Die Härtefallregelung gilt nicht rückwirkend für Zeiträume vor Verkündung des Urteils vom 9.2.2010 (vgl BVerfG vom 9.2.2010 aaO und vom 24.3.2010 - 1 BvL 395/09).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 18.01.2011; Aktenzeichen B 4 AS 90/10 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 05.05.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die teilweise Aufhebung zuvor für die Monate März und April 2007 seitens der Beklagten bewilligter Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) sowie um deren Erstattung.

Die am 00.00.1947 geborene Klägerin zu 1) und der am 00.00.1947 geborene Kläger zu 2), die verheiratet sind und in einem gemeinsamen Haushalt zusammenleben, beziehen seit Januar 2005 Arbeitslosengeld II von der Beklagten.

Mit Fortbewilligungsbescheid vom 28.11.2006 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 12.02.2007 bewilligte die Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 01.01.2007 bis 30.06.2007 gemeinsam als Bedarfsgemeinschaft addierte monatliche Gesamtleistungen nach dem SGB II in Höhe von 1.061,00 EUR (2 x 530,50 EUR). Dabei berücksichtigte sie einen monatlichen Gesamtbedarf in Höhe von 1061,00 EUR (2 x 311,00 EUR Regelleistung zzgl. 2 x 219,50 EUR (= 439,00 EUR) Gesamtkosten der Unterkunft und Heizung) sowie keinerlei Einkommen.

Im Mai 2007 erhielt die Beklagte Kenntnis davon, dass der Kläger zu 2) anlässlich von stationären Krankenhausaufenthalten im St. K-Krankenhaus in X zwischen dem 20.02.2007 und 02.03.2007 bzw. 29.03.2007 und 02.04.2007, die als solche der Beklagten jeweils mitgeteilt worden waren, ein Krankenhaustagegeld in Höhe von täglich 25,56 Euro von der H Krankenversicherung AG erhalten hatte. Die entsprechenden Zahlungen in Höhe von 281,76 EUR bzw. 127,80 EUR (insgesamt 409,56 EUR) waren seinem gemeinsam mit der Klägerin zu 1) geführten Konto am 19.03.2007 bzw. 25.04.2007 gutgeschrieben worden.

Mit einheitlichem Bescheid vom 29.05.2007 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung gegenüber den Klägern für den Monat Februar 2007 in Höhe von 32,66 EUR, für den Monat März 2007 in Höhe von 18,14 EUR und für den Monat April 2007 in Höhe von 7,26 EUR zunächst auf und forderte von diesen eine Erstattung in Höhe von insgesamt 58,06 EUR. Die im Rahmen des stationären Aufenthalts des Klägers zu 2) erhaltene Vollverpflegung sei im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB II bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Den gegen diesen Bescheid seitens der Kläger eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2007 zurück. Das diesbezüglich vor dem Sozialgericht Köln unter dem Aktenzeichen S 7 AS 157/07 geführte Klageverfahren endete durch Abschluss eines Unterwerfungsvergleichs der Beteiligten unter die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Aktenzeichen B 14 AS 22/07 R. Nach Erlass des Urteils des BSG hob die Beklagte den vorgenannten Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides wieder auf.

Nach Anhörung mit Schreiben vom 18.06.2007 hob die Beklagte die Leistungsbewilligung gegenüber den Klägern sodann zunächst mit einem einheitli...

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