Entscheidungsstichwort (Thema)

Fremdrentenrecht. Spätaussiedler. Zusammentreffen von eigener Rente mit Hinterbliebenenrente. Begrenzung der Entgeltpunkte. unklare Rechtslage. rückwirkende Rechtsänderung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die in § 22b Abs 1 S 1 FRG idF des RVNG vom 21.7.2004 getroffene Begrenzungsregelung ist verfassungsgemäß.

2. Die mit Rückwirkung zum 7.5.1996 bestimmte Neufassung des § 22b Abs 1 S 1 FRG ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Anschluss an BSG vom 21.6.2005 - B 8 KN 1/05 R = SozR 4-5050 § 22b Nr 4, BSG vom 21.6.2005 - B 8 KN 9/04 R = SozR 4-1300 § 44 Nr 5 und BSG vom 5.10.2005 - B 5 RJ 57/03 R).

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin auf Grund ihres gemäß § 44 Sozialgesetzbuch, 10. Teil (SGB X) gestellten Antrages Zahlungen aus dem ihr dem Grunde nach zuerkannten Anspruch auf Hinterbliebenenrente verlangen kann.

Die am 00.00.1938 geborene Klägerin ist die Witwe des am 00.03.1933 geborenen und am 00.06.1993 in Russland verstorbenen russischen Staatsangehörigen B M (Versicherter). Beide waren ausschließlich in ihrer früheren Heimat beschäftigt. Die Klägerin siedelte am 20.07.1996 nach Deutschland über und wurde hier gemäß § 4 Bundesvertriebenengesetz als Spätaussiedlerin anerkannt.

Auf ihren Antrag vom Oktober 1996 bewilligte ihr die Beklagte mit Bescheid vom 10.11.1997 große Witwenrente nach dem Versicherten. Ihr wurde mitgeteilt, die Zahl der Entgeltpunkte sei auf 25 zu begrenzen.

Im April 1999 teilte die LVA Rheinprovinz der Beklagten mit, der Klägerin sei ab dem 01.01.1999 eine Altersrente für Frauen gewährt worden. Der Rente lägen 25 Entgeltpunkte für Zeiten nach dem Fremdrentengesetz - FRG - zugrunde.

Mit bindendem Bescheid vom 04.08.1999 wurde daraufhin die große Witwenrente von der Beklagten mit Wirkung für die Zukunft wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse neu festgestellt: Sie werde ab dem 01.09.1999 nicht gezahlt, weil die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG vorrangig in der weiteren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zu berücksichtigen seien.

Im Juni 2002 stellte die Klägerin nach § 44 SGB X unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts - BSG - vom 30.08.2001 - B 4 RA 118/00 R - in BSGE 88, 288 ff den Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 04.08.1999.

Diesen Antrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 09.08.2002 zurück. Der Entscheidung des BSG werde nicht gefolgt, weil dessen Begründung nicht zutreffe. Die Begriffe wie "Berechtigte", "anrechenbare Zeiten" und "Entgeltpunkte" würden im Rentenrecht sowohl bei Versicherten- wie auch bei Hinterbliebenenrenten verwandt, so dass die Anwendung des § 22 b FRG auf Hinterbliebenenrenten nach seinem Wortlaut keineswegs ausgeschlossen sei. Das BSG verkenne die Regelungsabsicht. Mit § 22 b FRG solle sich der FRG-Anteil einer Rente am Bedarf orientieren, welcher nur durch die Anzahl der Personen, nicht aber durch die Anzahl der Rentenansprüche bestimmt werde. Insbesondere die Verteilungsregelung im § 22 b Abs. 1 Satz 3 FRG, die allein für die Fälle des Zusammentreffens von Versicherten- und Hinterbliebenenrente von Bedeutung sei, verdeutliche, dass eine Begrenzung beider Renten zusammen auf 25 Entgeltpunkte gewollt sei. Darüber hinaus seien die Ausführungen des BSG, dass es keiner Anwendung des § 22 b FRG bedürfe, weil die Hinterbliebenenrenten ohnehin direkt von den Versichertenrenten abgeleitet würden, im vorliegenden Fall auch deshalb nicht zutreffend, weil die Klägerin selbst nur einen eigenständigen Hinterbliebenenrentenanspruch aufgrund ihrer eigenen Spätaussiedlereigenschaft besitze. Hingegen habe ihr verstorbener Ehepartner keine (FRG-) Rentenansprüche besessen, so dass sich nach den allgemeinen Grundsätzen überhaupt keine Hinterbliebenenrente ableiten lasse. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit dem Bescheid vom 14.03.2003 zurückgewiesen.

Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die hiergegen gerichtete Klage durch Urteil vom 03.12.2003 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt: Die Voraussetzungen des § 44 SGB X seien nicht erfüllt. Der Bescheid vom 04.08.1999 sei nicht rechtswidrig. Die Beklagte habe die Hinterbliebenenrente zu Recht wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse neu berechnet, nachdem der Klägerin eine eigene Altersrente bewilligt worden sei und festgestellt, dass sich kein Zahlbetrag ergebe, weil die Entgeltpunkte für anrechenbare Zeiten nach dem FRG vorrangig in der eigenen Altersrente der Klägerin zu berücksichtigen seien. Nach dem durch Art 3 Nr. 5 des Gesetzes zur Umsetzung des Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung in den Bereichen der Rentenversicherung und Arbeitsförderung (Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz - WFG-) ab 07.05.1996 (§ 12 Abs. 2 WFG) eingeführten § 22 b Abs. 1 Satz 1 FRG würden für anrechenbare Zeiten nach dem FRG höchstens 25 Entgeltpunkte der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten zugrunde gelegt. Die Kammer folge aufgrund eigener Überzeugungsbildung der Entscheidung des La...

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