Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzliche Unfallversicherung. Versicherungs- und Beitragspflicht. Zeitungsvertriebsunternehmen. rechtlicher Status. Zeitungsausträger. Zusteller. Abgrenzung: selbständige Tätigkeit. abhängige Beschäftigung

 

Orientierungssatz

Zeitungsausträger bzw Zusteller sind in der Sozialversicherung grundsätzlich als Beschäftigte und nicht als selbständige Unternehmer ("Kleinspediteure") anzusehen.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. Februar 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für ihre Austräger von Gemeindemitteilungsblättern Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung entrichten muss.

Die Klägerin, die Presseerzeugnisse vertreibt, lagert und ausliefert, ist seit dem 01. März 1988 Mitglied der Beklagten. Die Gemeindemitteilungsblätter der U Fa. S N & Q Verlag KG lässt sie durch über 700 "Lieferer" bzw. "Zusteller" austragen, zu denen u.a. die Beigeladenen zählen. Mit ihnen schließt die Klägerin einen sog. "Kooperationsvertrag" (KV), der vorformulierte Vertragsbedingungen enthält. Der Vertrag bezeichnet die Lieferer und Zusteller als selbständige Kleinspediteure und verpflichtet sie, die Haushalte und Betriebe (Bezieher) "umgehend" (Ziffer 2 KV) mit Druckerzeugnissen in dem Zustellbezirk zu beliefern, den ihnen die Klägerin zuweist (Ziffer 1 KV). Die Lieferer erhalten die Mitteilungsblätter gewöhnlich einen Tag bevor die Zustellungsfrist abläuft. Bis zum Fristablauf müssen die Gemeindemitteilungsblätter verteilt sein, was - je nach Zustellbezirk - ein bis zwei, maximal drei Stunden dauert. Verstößt der Zusteller gegen seine vertragliche Pflicht, die Druckerzeugnisse "umgehend" an "die Bezieher mit den vollständigen Exemplaren einschließlich eventueller Beilagen" zu liefern, kann die Klägerin den Vertrag "ohne Einhaltung einer Frist" kündigen. Ansonsten sind beide Seiten berechtigt, den Vertrag mit einer Frist von 4 Wochen zum Ende des Abrechnungszeitraumes zu kündigen (Ziffer 6 KV). Der Zusteller erhält die Gemeindemitteilungsblätter im Abrechnungszeitraum zu einem bestimmten Preis pro Exemplar (Ziffer 4 KV) und vertreibt sie "auf eigene Rechnung" (Ziffer 3 KV). Die Abrechnung erfolgt aufgrund der verteilten Exemplare (Ziffer 4 KV). Akquiriert der Zusteller einen Neukunden, erhält er hierfür eine Provision (Ziffer 5 KV). Die Lieferer dürfen zeitgleich andere Zustelltätigkeiten für Dritte (z.B. Prospektverteilung) übernehmen und "auf eigene Rechnung" Hilfspersonen einsetzen. Name und Anschrift der Hilfspersonen sind der Klägerin - "aus versicherungstechnischen Gründen" - zu benennen (Ziffer 3 KV). Fällt der Zusteller aus, muss er selbst für eine Vertretung sorgen; im Notfall beauftragt die Klägerin eine Ersatzperson. Sie gewährt weder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall noch bezahlten Erholungsurlaub oder Aufwendungsersatz.

Nach einer Betriebsprüfung im Jahre 1993 wies die Klägerin der Beklagten die jährliche Lohnsumme ihrer Lieferer nach und zahlte entsprechende Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung. Im Lohnnachweis für das Beitragsjahr 2002 meldete die Klägerin keine Lohnsummen für die Austräger der Mitteilungsblätter und teilte in einem Begleitschreiben vom 19. Februar 2003 mit, dass die Lieferer selbständig und deshalb nicht sozialversicherungspflichtig seien. Dies hätten die Clearingstelle der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) und das Arbeitsgericht (ArbG) Stuttgart in seinem Urteil vom 15. November 2002 (Az: 3 Ca 4935/02) bestätigt. Deshalb werde sie ab 2002 für ihre Lieferer keine Beiträge mehr zahlen.

Die Beklagte schätzte daraufhin - auf Basis des Vorjahres - die Lohnsumme für das Beitragsjahr 2002 auf 753.520,00 EUR und setzte mit Bescheid vom 17. April 2003 die Beiträge für die Austräger auf 15.078,00 EUR fest. Dagegen erhob die Klägerin am 08. Mai 2003 Widerspruch und legte zwei Schreiben der BfA vom 31. Oktober 2001 und 06. Januar 2003 vor, wonach "Zeitungsausträger/-zusteller nicht stets und ausnahmslos als Beschäftigte anzusehen" seien. "Abhängig von Umfang und Organisation der übernommenen Tätigkeiten" könnten sie "auch Selbständige sein". Bei den Zeitungsausträgern der "Verlagsgruppe S" seien keine Aspekte erkennbar, "die auf ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis hindeuten würden".

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2003, der am 06. August 2003 zugestellt worden ist, wies die Beklagte den Widerspruch zurück: Schon das Reichsversicherungsamt (RVA) habe Zeitungsausträger für sozialversicherungspflichtig gehalten, und die Sozialgerichtsbarkeit habe sich dieser Auffassung angeschlossen. An Entscheidungen der Arbeitsgerichte und der BfA sei die Beklagte nicht gebunden. Als Verteiler und Austräger seien erfahrungsgemäß Hausfrauen, Rentner/Pensionäre, minderjährige Schüler oder Studenten tätig, die sozial schutzbedürftig seien. Sie verteilten Presseerzeugnisse gegen Entgel...

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