Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Verfahrensbeteiligten auf Entschädigung wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens

 

Orientierungssatz

1. Nach § 198 Abs. 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Der immaterielle Nachteil ist nach Abs. 2 mit 1200.- €. für jedes Jahr der Verzögerung zu entschädigen.

2. Die Angemessenheit der Verfahrensdauer richtet sich gemäß § 198 Abs. 1 S. 2 GVG nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter.

3. Die Annahme einer unangemessenen Verfahrensdauer ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich überschritten und deshalb das Recht auf Rechtschutz in angemessener Zeit verletzt hat.

4. Verbleibt nach Berücksichtigung von Vorbereitungs- und Bedenkzeiten ein Monat eines entschädigungspflichtigen Zeitraums, so ist dem Verfahrensbeteiligten eine Entschädigung von 100.- €. zu zahlen.

 

Tenor

Das beklagte Land wird verurteilt, dem Kläger eine Entschädigung von 100,00 EUR zuzüglich Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 03.04.2019 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Klageverfahren wird auf 1.200,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht (SG) Münster unter dem Aktenzeichen (Az.) S 3 U 34/15 geführten Verfahrens.

Der Kläger erhob am 5. Februar 2015 Klage vor dem SG Münster gegen die Berufsgenossenschaft O wegen Wohnungshilfe i.H.v. (weiteren) 10.083 EUR. Das Verfahren wurde erstinstanzlich durch klageabweisendes Urteil vom 15. Mai 2017 beendet. Hiergegen legte der Kläger Berufung vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) ein (Az. L 4 U 467/17), die am 21. August 2018 im Rahmen eines Güterichterverfahrens (Az. L 4 SF 43/18 GR) in einer vergleichsweisen Einigung mündete. Das Verfahren stellt sich chronologisch wie folgt dar:

Datum

Beteiligter

Aktivität

9. Februar 2015

Kläger

Klage

10. Februar 2015

SG

Eingangsverfügung

23. Februar 2015

Beklagte

Mitteilung Beklagte über Gewähr Akteneinsicht an Kläger-Bevollmächtigten

23. Februar 2015

Kläger

Übersendung Vollmacht Kläger-Bevollmächtigter

24. Februar 2015

SG

Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnis

11. März 2015

Beklagte

Übersendung Verwaltungsakte

2. April 2015

Kläger

Klagebegründung

7. April 2015

SG

Übersendung an Beklagte zur Stellungnahme

29. April 2015

Beklagte

Klageerwiderung

30. April 2015

SG

Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Kenntnis

11. Mai 2015

SG

"WV mit Parallelverfahren"

22. Mai 2015

SG

"WV mit S 3 U 328/13, 114/13, 430/13"

24. Februar 2016

Kläger

Sachstandsanfrage

25. Februar 2016

SG

Mitteilung an Kläger-Bevollmächtigten

11. Mai 2016

Kläger

Bitte um Terminierung

13. Mai 2016

SG

Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnis und Verfügung "zur Sitzung"

3. Februar 2017

Kläger

Verzögerungsrüge

6. Februar 2017

SG

Mitteilung neues Az. an Beteiligte (S 3 U 34/15) (anstatt S 19 U 34/15)

24. März 2017

SG

Ladung zum Verhandlungstermin am 15. Mai 2017

15. Mai 2017

SG

Verhandlungstermin (Urteil: Klageabweisung)

18. Mai 2017

SG

Urteil zur Geschäftsstelle

22. Mai 2017

SG

Zustellung Urteil an Beteiligte

22. Juni 2017

Kläger

Berufung (LSG NRW ,Az. L 4 U 467/17)

23. Juni 2017

LSG

Eingangsmitteilung/ Bestimmung des Berichterstatters

5. Juli 2017

LSG

Eingangsverfügung

14. Juli 2017

Beklagte

Berufungserwiderung

19. Juli 2017

LSG

Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Kenntnis

28. Juli 7.2017

Kläger

Berufungsbegründung

31. Juli 2017

LSG

Weiterleitung an Beklagte zur Stellungnahme

15. August 2017

Beklagte

Stellungnahme

18. August 2017

LSG

Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Stellungnahme; Anforderung Vorprozessakte bei SG

30. August 2017

Beklagte

Stellungnahme

30. August 2017

LSG

Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Stellungnahme

22. September 2017

LSG

Erinnerung Kläger-Bevollmächtigten

16. Oktober 2017

Kläger

Stellungnahme

16. Oktober 2017

LSG

Weiterleitung an Beklagte zur Stellungnahme

30. Oktober 2017

Beklagte

Stellungnahme

30. Oktober 2017

LSG

Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Stellungnahme

13. Dezember 2017

LSG

Kläger-Bevollmächtigter erinnert

15. Dezember 2017

LSG

Anfrage Güterrichterverfahren

4. Januar 2018

Beklagte

Stellungnahme

10. Januar 2018

LSG

Weiterleitung an Kläger-Bevollmächtigten zur Stellungnahme

18. Januar 2018

Kläger

Stellungnahme

19. Januar 2018

LSG

Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnis

2. Februar 2018

LSG

Übermittlung Gerichtsakte an 4. Senat auf Anfrage

14. Februar 2018

LSG

Rücklauf Gerichtsakte

16. Februar 2018

LSG

Erinnerung Kläger-Bevollmächtigter

26. Februar 2018

Kläger

Stellungnahme

27. Februar 2018

LSG

Weiterleitung an Beklagte zur Kenntnis

27. Februar 2018

LSG

Beschluss Güterrichterverhandlung (zugestellt am 2. März 2018)

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge