Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Eintritt von Versicherungspflicht wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Befreiungsbescheid. Wirksamkeit. Arbeitgeberwechsel. Entgeltverminderung durch Arbeitszeitreduzierung wegen Kindererziehung

 

Orientierungssatz

Tritt in der Krankenversicherung Versicherungspflicht wegen Erhöhung der Jahresarbeitsentgeltgrenze ein, wirkt eine deshalb ausgesprochene Befreiung auch bei einem Arbeitgeberwechsel fort. Spätere Änderungen des Entgelts sind dabei unmaßgeblich, was sich auch aus der Regelung des § 8 Abs 2 S 3 SGB 5 ergibt.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 25.05.2011; Aktenzeichen B 12 KR 9/09 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 07.02.2008 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die als Angestellte beschäftigte Klägerin krankenversicherungspflichtig ist.

Die 1967 geborene Klägerin war von Oktober 1992 bis Juli 1995 als Angestellte in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert. Anschließend war sie als Angestellte wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze (JAE-Grenze) versicherungsfrei und deshalb privat krankenversichert. Nachdem sie ab dem 01. Januar 1998 wegen Erhöhung der JAE-Grenze versicherungspflichtig geworden war, befreite die Beklagte die Klägerin auf deren Antrag mit Wirkung vom 01.01.1998 nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) von der Versicherungspflicht (Bescheid vom 12.03.1998). Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Befreiung auch gegenüber anderen gesetzlichen Krankenkassen sowie beim Arbeitgeberwechsel gelte. Nachdem die Klägerin in der Zeit vom 01.08. bis 15.10.1998 wegen Bezugs von Arbeitslosen- bzw. Übergangsgeld bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war, nahm die Klägerin zum 14.10.1998 eine Tätigkeit als Angestellte bei der Beigeladenen auf. Sie erhielt ein Arbeitsentgelt, das in etwa dem aus der vorherigen Beschäftigung entsprach. Ab diesem Zeitpunkt wurde Versicherungspflicht von der Beklagten nicht mehr angenommen und von der Klägerin zunächst auch nicht geltend gemacht. Die Klägerin war bei der Beigeladenen zu Beginn des Beschäftigungsverhältnisses in Vollzeit tätig; nach der Geburt ihres ersten Kindes arbeitet sie seit Mai 2003 in Teilzeit (104 Stunden pro Monat). Weitere Kinder wurden im Juni 2005 und Oktober 2006 geboren.

Im April 2006 begehrte die Klägerin die Feststellung ihrer Mitgliedschaft bei der Beklagten als versicherungspflichtige Angestellte. Aufgrund ihres geringen Einkommens als Teilzeitbeschäftigte sei sie nicht in der Lage, für sich und die Kinder die Beiträge zur privaten Krankenversicherung weiter aufzubringen. Diese Faktoren bedeuteten auch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die eine Aufhebung des Befreiungsbescheides gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ermögliche.

Mit Bescheid vom 25.04.2006 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Befreiungsbescheides vom 12.03.1998 ab, da dieser Bescheid nicht rechtswidrig gewesen sei. Es verbleibe deshalb bei der Befreiung der Klägerin von der Krankenversicherungspflicht.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch, mit dem die Klägerin geltend machte, die gewährte Befreiung sei im Hinblick auf die geänderten Verhältnisse auf Antrag zu widerrufen, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.2007 als unbegründet zurück. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse sei nicht eingetreten, so dass eine Über-prüfung des Befreiungsbescheides gemäß § 48 SGB X ausscheide.

Am 29.12.2006 hat die Klägerin Klage bei dem Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben und vorgetragen, die Beklagte habe den Antrag, wieder in die gesetzliche Krankenversicherung aufgenommen zu werden, zu Unrecht abgelehnt. Der Befreiungsbescheid vom 12.03.1998 sei wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse gemäß § 48 SGB X aufzuheben.

Die Klägerin hat beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 25.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2007 festzustellen, dass die Klägerin versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig, da die einmal erfolgte Befreiung von der Versicherungspflicht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB V auch für alle später nachfolgenden Beschäftigungsverhältnisse gelte.

Durch Urteil vom 07.02.2008 hat das SG unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide festgestellt, dass die Klägerin versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten ist. Mit der Ablehnung der Aufhebung des Bescheides vom 12.03.1998 habe die Beklagte auch die Aufnahme der Klägerin als versicherungspflichtiges Mitglied bzw. die Feststellung ihrer während des aktuellen Beschäftigungsverhältnisses bestehenden Versicherungspflicht abgelehnt. Diese Ablehnung sei zumindest seit der entsprechenden Antragstellung der Klägerin rechtswidrig. Entgegen der Auffassung der Beklagten habe der Befreiu...

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