Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Anerkennung eines Unfallereignisses während der Teilnahme an einer Protestkundgebung als Arbeitsunfall

 

Orientierungssatz

Ein Arbeitsunfall in der Form eines versicherten Wegeunfalls liegt dann vor, wenn der zurückgelegte Weg wesentlich dazu dient, die versicherte Tätigkeit aufzunehmen bzw. nach Beendigung der versicherten Tätigkeit nach Hause zu gelangen. Die Teilnahme an einer Protestkundgebung ist keine versicherte Tätigkeit, wenn der Arbeitnehmer durch dessen Unternehmen nicht verpflichtet ist, an der Veranstaltung teilzunehmen. Die erforderliche Betriebsbezogenheit ist nur dann gegeben, wenn die Handlungstendenz des Betroffenen auf die Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Haupt- oder Nebenpflichten gerichtet ist. Dient die Teilnahme an einer Protestkundgebung im Wesentlichen dem persönlichen Interesse der teilnehmenden Beschäftigten am Erhalt ihrer Arbeitsplätze, so steht sie nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 02.10.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger am 03.12.2007 einen Arbeitsunfall erlitten hat und ob ihm wegen der Folgen dieses Unfalls eine Verletztenrente zusteht.

Der Kläger war im Dezember 2007 bei der Automotive Group ISE Industries GmbH (ISE) als Maschinenbediener beschäftigt. Bereits im Januar 2007 hatte die ISE einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt. Im Juni 2008 wurde sie von dem Finanzinvestor Nordwind Kapital übernommen und mit Wirkung zum 31.05.2009 aus dem Handelsregister gelöscht.

Am 03.12.2007 hatte der Kläger seine Arbeit als Maschinenbediener bei der ISE noch nicht aufgenommen. Stattdessen nahm er am Vormittag des 03.12.2007 an einer Protestkundgebung der IG Metall vor dem Sitz der Daimler AG in Düsseldorf teil. Die Protestkundgebung erfolgte zusammen mit Beschäftigten aus anderen Betrieben der ISE. Grund für die Kundgebung war die gestoppte Auftragsvergabe der Daimler AG an seine Arbeitgeberin. Der Betriebsrat hatte für die Fahrt nach Düsseldorf einen Bus angemietet, der die Teilnehmer an der Demonstration am frühen Morgen des 03.12.2007 vor dem Betrieb in Duisburg einsammelte und nach der Protestkundgebung zum Betrieb zurückbrachte. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Unfalls nicht Mitglied des Betriebsrats der ISE. Nach der Rückkehr mit dem Bus aus Düsseldorf fuhr der Kläger mit seinem PKW, den er morgens an der Arbeitsstelle geparkt hatte, ohne seine Arbeit als Maschinenbediener anzutreten, wieder nach Hause. Auf dem direkten Weg zwischen seiner Arbeitsstelle und seinem Wohnort fuhr ihm um 12.04 Uhr ein PKW auf, als er an einer roten Ampel stand.

Der Kläger, der nach Auskunft des den Unfall aufnehmenden Polizeibeamten einen geschockten Eindruck machte und zum Geschehen keinerlei Auskunft geben konnte, wurde mit dem RTW in die Städtischen Kliniken Wedau gebracht. Dem Bericht der Wedau Kliniken vom 14.12.2007 ist zu entnehmen, dass der Kläger dort in der Zeit vom 03.12.2007 bis zum 05.12.2007 für 48 Stunden stationär beobachtet wurde. Diagnostiziert wurden ein Schädelhirntrauma ersten Grades und eine schwere Depression sowie eine somatoforme Schmerzstörung. Das dort angefertigte Traumascan, CT (Kopf, Halswirbelsäule, Thorax, Abdomen, Becken) ergab keinen Anhalt für einen pathologischen Befund. Aufgrund der bei dem Kläger diagnostizierten Depressionen wurde dem Kläger eine neurologische Mitbehandlung empfohlen.

Im Juli 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Rente wegen der Folgen des Unfalls vom 03.12.2007. Zur Begründung führte er aus, bei dem Unfall habe er sich auf dem Rückweg von der Arbeit nach Hause befunden. Bei dem Unfall habe er im Bereich der Lendenwirbelsäule erhebliche Verletzungen davongetragen. Seitdem habe er Beschwerden in diesem Bereich. Außerdem habe er während des Unfalls einen Schockzustand erlitten. In dem von ihm am 09.11.2009 ausgefüllten Fragebogen teilte er mit, er habe sich auch die Knie am Armaturenbrett gestoßen. Vor dem Unfall habe er keine Beschwerden im Bereich der Knie und der Wirbelsäule gehabt. Am Unfalltag habe er Urlaub gehabt.

Aus der Unfallanzeige der Arbeitgeberin des Klägers vom 13.01.2010 ergibt sich, dass der Kläger am Unfalltag von 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr Schicht hatte. Die Beklagte holte Befundberichte der behandelnden Ärzte des Klägers ein (Bericht Orth. Dr. H vom 24.12.2009, Bericht Allg.Arzt. Dr. T vom 27.03.2010). Außerdem zog sie ein Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenversicherung des Klägers, der BKK vor Ort, bei. Sowohl aus dem Vorerkrankungsverzeichnis als auch aus dem Bericht des Dr. T ergibt sich, dass der Kläger bereits seit 1995 wegen Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und seit 2001 wegen einer Meniskusschädigung Arbeitsunfähigkeitszeiten hatte und in ärztlicher Behandlung war. Die vo...

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