Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. JAV-Höhe. Bestimmung des JAV gem § 87 S 1 SGB 7. erhebliche Unbilligkeit. Kriterien iS von § 87 S 2 SGB 7. wesentliche Änderung der beruflichen Situation bzw des Arbeitseinkommens. Versicherungsfall während einer Elternzeit. keine Erweiterung des zwölfmonatigen Bemessungszeitraums. vermindertes Arbeitseinkommen: Teilzeitbeschäftigung statt Vollzeitbeschäftigung. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Da die Festsetzung eines JAV nach billigem Ermessen gemäß § 87 S 1 SGB 7 von vornherein nicht in Betracht kommt, wenn der nach den §§ 82 bis 86 SGB 7 ermittelte JAV der Lebensstellung des Versicherten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat des Versicherungsfalls entspricht (vgl LSG Berlin vom 9.8.2004 - L 16 U 79/03), ist damit aber eine Heranziehung von Arbeitsentgelten aus zurückliegenden Jahren auch im Rahmen des § 87 SGB 7 nicht möglich. Denn § 87 SGB 7 ergänzt nur die Vorschrift des § 82 SGB 7, ohne die dort getroffene grundsätzliche Regelung anzutasten.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.09.2011; Aktenzeichen B 2 U 24/10 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der für die Verletztenrente der Klägerin maßgebende Jahresarbeitsverdienst (JAV) neu festzusetzen ist.

Die 1965 geborene Klägerin war nach ihrer Ausbildung zur Krankenpflegerin ab dem 01.10.1989 als Krankenschwester tätig, in der Zeit vom 01.06.1990 bis zum 30.06.1991 und vom 01.02.1992 bis zum 31.03.1995 in Teilzeit. In der Zeit vom 22.07.1999 bis zum 27.10.1999 befand sie sich im Mutterschutz, hatte sodann vom 28.10.1999 bis zum 06.12.1999 ihren Jahresurlaub und bezog vom 07.12.1999 bis zum 31.01.2000 Erziehungsgeld. Für den Zeitraum vom 01.02.2000 bis zum 31.08.2002 vereinbarte sie mit ihrem Arbeitgeber eine befristete Teilzeittätigkeit (19,25 Stunden wöchentlich) im Rahmen des Erziehungsurlaubs. Aus dieser Tätigkeit erzielte sie in der Zeit vom 01.04.2000 bis zum 31.03.2001 einschließlich Einmalzahlungen ein Brutto-Arbeitsentgelt in Höhe von 18.076,74 EUR. Am 06.04.2001 erlitt die Klägerin einen Bandscheibenvorfall und war in der Folgezeit arbeitsunfähig.

Mit Bescheid vom 25.05.2005 erkannte die Beklagte die bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule der Klägerin als Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) an und stellte den 07.04.2001 als Tag des Versicherungsfalls fest. Ab dem 04.02.2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H. und legte der Rentenberechnung einen JAV in Höhe von 18.076,74 EUR zugrunde.

Gegen die Festsetzung des JAV erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, indem bei der Berechnung des JAV die Tätigkeit in der Elternteilzeit als Berechnungsgrundlage herangezogen werde, liege eine unverhältnismäßige Benachteiligung ihrer Familie. Wegen der fehlenden Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren habe sie keine Alternative zur Beantragung von Erziehungsurlaub gesehen. Es sei für sie nicht nachvollziehbar, dass allein aufgrund des Ausbruchs der BK während der Teilzeit diese zugrunde gelegt werde, zumal ihre Vollzeitbeschäftigung die BK begünstigt habe und eine erneute Vollzeitbeschäftigung schon zu Beginn der Teilzeit geplant gewesen sei. Daher sei bei der Festsetzung des JAV die Vollzeitbeschäftigung als Krankenschwester auf einer Intensivstation zu berücksichtigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch gegen die Festsetzung des JAV zurück und führte zur Begründung aus, mit Blick auf den am 07.04.2001 eingetretenen Versicherungsfall berechne sich der JAV gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) aus der Summe der in der Zeit vom 01.04.2000 bis 31.03.2001 erzielten Entgelte. Unter Berücksichtigung der Entgeltangaben des Arbeitgebers zu den laufenden Entgelten und der in diesem Zeitraum gewährten Einmalzahlung sei der JAV in Höhe von 18.076,74 EUR zugrunde zu legen. Dieser JAV sei nicht in erheblichem Maße unbillig. Die Klägerin habe bereits in der Zeit vor Eintritt der Elternzeit Teilzeittätigkeit verrichtet. Nach der Geburt der Tochter habe sie die Mutterschutzfrist sowie Elternzeit in Anspruch genommen. Schließlich habe sie dann am 01.02.2000 erneut eine befristete Teilzeittätigkeit aufgrund der Erziehung des Kindes aufgenommen. Eine Berücksichtigung von Teilzeit führe deswegen nicht zur unbilligen Härte, weil § 87 SGB VII lediglich atypische Fallkonstellationen erfassen wolle. Unter Berücksichtigung der Ausbildung, der Lebensstellung und der beruflichen Chronik sowie der Tätigkeit im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls habe sich keine entsprechende atypische Fallkonstellation erkennen lassen.

Dagegen hat die K...

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