Entscheidungsstichwort (Thema)

Rentenanpassung. Eigentum. Inhalts- und Schrankenbestimmung. Verhältnismäßigkeit. Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers. Zumutbarkeit

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Aussetzung der Anpassung der Rente zum 1.7.2004 durch Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze vom 27.12.2003 (BGBl. I Seite 3013) ist mit dem Verfassungsrecht vereinbar.

 

Normenkette

2. SGB VI-ÄndG Art. 2; SGB VI §§ 65, 68; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1

 

Verfahrensgang

SG Gelsenkirchen (Urteil vom 20.08.2004; Aktenzeichen S 8 RA 13/04)

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 20.12.2007; Aktenzeichen B 4 RA 9/05 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.08.2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten der Klägerin werden auch im Berufungsverfahren nicht erstattet. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt eine Rentenanpassung um 2,66 % mit Wirkung zum 01.07.2004.

Seit dem 01.02.1996 bezieht die 1944 geborene Klägerin eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Mit Schreiben vom 27.12.2003 erhob Sie Klägerin “Widerspruch” gegen die von der Beklagten beabsichtigte Aussetzung der Rentenanpassung im Jahr 2004. Die Beklagte fasste das Schreiben als Antrag auf Anpassung der Rente zum 01.07.2004 auf, den sie mit Bescheid vom 17.02.2004 ablehnte. Durch Art. 2 des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches und anderer Gesetze (2. SGB VI-ÄndG) vom 27.12.2003 (BGBl. I. S. 3013) sei festgelegt worden, dass sich der aktuelle Rentenwert zum 01.07.2004 nicht verändere. Dies habe zur Folge, dass eine Erhöhung des Zahlbetrages mit Wirkung zum 01.07.2004 nicht eintreten werde. Die Aussetzung der Rentenanpassung sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Der mit der Aussetzung der Rentenanpassung verbundene finanzielle Beitrag zur Konsolidierung der Finanzsituation in der Rentenversicherung stelle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Eigentumsrechte von Rentner dar. Bei den Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung handele es sich um Dauerleistungen, die im besonderen Maße den sich ändernden Verhältnissen unterworfen seien. Versicherte und Rentnern in der gesetzlichen Rentenversicherung könnten von vornherein nicht erwarten, dass die gesetzlichen Vorschriften über die Leistungen der Rentenversicherung auf Dauer unverändert fortbestünden. Die gesetzliche Rentenversicherung sei eine Solidargemeinschaft, deren Rechte und Pflichten im Laufe der Zeit vielfachen Veränderungen unterliegen könnten. So würden Veränderungen der Wirtschaftslage oder auch des Verhältnisses zwischen Rentnern und der die Versicherung durch ihre Beiträge tragenden, noch im Erwerbsleben stehenden Generation vielfach Anpassungen ermöglichen oder erfordern. Wer einer solchen Solidargemeinschaft beitrete, erwerbe nicht nur die mit einem solchen System verbundenen Chancen, sondern trage mit den anderen Versicherten auch ihre Risiken.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Rente sei ab dem 01.04.2004 aufgrund der Verpflichtung, den vollen Pflegeversicherungsbeitrag zu zahlen um 0,85 % gekürzt worden, während die Beamtenpensionen 2004 um insgesamt 0,92 % zuzüglich einer Einmalzahlung von 50,– Euro erhöht worden seien. Unter Berücksichtigung einer weiteren steuerlichen Entlastung der Beamtenpensionen von durchschnittlich 1,74 % würden die Beamtenpensionen 2004 insgesamt um 2,66 % ansteigen. Während Beamte und Versorgungsempfänger an der allgemeinen Einkommensentwicklung 2004 teilnähmen, sei sie als Rentnerin durch die faktische Rentenkürzung zum 01.04.2004 und der Aussetzung der Rentenanpassung zum 01.07.2004 von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt. Dies widerspreche der verfassungsrechtlich gebotenen faktischen Gleichstellung von Renten und Pensionen. Am 18.03.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 29.03.2004 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zu verpflichten, ihre Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Wirkung zum 01.07.2004 um 2,66 % zu erhöhen. Sie hat vorgetragen, dass die Aussetzung der Rentenanpassung und damit das Abkoppeln von der Entwicklung der Tariflöhne, die im Vergleich zum Jahre 2003 um 2,5 % gestiegen seien, gegen Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 und 14 Abs. 1 und 2 Grundgesetz (GG) verstoße. Der mit dem Aussetzen der Rentenanpassung verbundene finanzielle Beitrag zur Konsolidierung der Finanzsituation in der Rentenversicherung stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre Eigentumsrechte dar und verstoße gegen ihren Vertrauensschutz. Die Konsolidierung der Finanzsituation der Rentenversicherung obliege allein dem Bund, sie sei nicht Aufgabe der Rentner. Der Bund sei verpflichtet Verluste in der Rentenversicherung auszugleichen. Art. 120 Abs. 1 Satz 4 GG ordne als dauerhafte Regel der Finanzverfassung dem Bund die Leistung von Zuschüssen an die Rentenversicherung zu. Er besitze auch die Kompetenz zur...

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