Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung von Einkommen auf das Elterngeld. Gewinnanteil aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft als berücksichtigungsfähiges Einkommen

 

Orientierungssatz

1. Einkommen in Form eines Gewinnanteils aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft ist bei der Berechnung des Elterngeldes nach § 2 Abs. 9 S. 1 BEEG a. F. als Einkommen aus Gewerbebetrieb i. S. von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG auf das Elterngeld anzurechnen.

2. Es ist für jeden einzelnen Monat des Bezugszeitraums mit einem Zwölftel des sich aus dem Einkommensteuerbescheid ergebenden Jahresgewinns anzusetzen.

3. Die gesetzliche Regelung ist verfassungsgemäß.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.05.2019; Aktenzeichen B 10 EG 18/18 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.07.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe endgültig festgesetzter Leistungen nach dem Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (BEEG) und gegen eine Erstattungsforderung in Höhe von 15.086,16 EUR.

Die am 00.00.1971 geborene Klägerin ist italienische Staatsangehörige und selbständige Rechtsanwältin. Zusammen mit ihrem Ehemann war sie im streitigen Zeitraum Gesellschafterin der Kanzlei Dr. H & Q Rechtsanwälte GbR (heute Dr. H & Q Rechtsanwaltsgesellschaft mbH). 2006 wurde ihr erstes Kind H geboren, am 00.00.2012 ihr zweites Kind M.

Am 25.07.2012 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes M. Sie werde in dieser Zeit keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Der Ehemann übernehme die Mandate. Außerdem sei ein Rechtsanwalt eingestellt worden. Auf Grundlage des hälftigen vorläufigen Ergebnisses der Kanzlei im Jahr 2011 abzüglich der Hälfte der 2011 geleisteten Steuervorauszahlungen bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 10.08.2012 Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate des Kindes M in Höhe von 1.557,18 EUR monatlich. Die Leistungen würden nach § 8 Abs. 3 BEEG vorläufig erbracht.

Mit Bescheid vom 12.08.2014 setzte die Beklagte das Elterngeld endgültig fest in Höhe von 300 EUR je Lebensmonat und forderte die Erstattung einer Überzahlung in Höhe von 15.086,16 EUR. Dabei legte die Beklagte im Bemessungszeitraum das Einkommen der Klägerin und die Hälfte der von den Eheleuten zu zahlenden Steuern gemäß Einkommensteuerbescheid für die Eheleute für das Jahr 2011 zugrunde, was ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.201,99 EUR ergab. Im Bezugszeitraum legte die Beklagte als Einkommen die Hälfte des steuerlichen Gewinns der GbR zugrunde, wie er sich aus einer taggenauen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) für den Zeitraum 03.07.2012 bis 02.07.2013 ergab und zog hiervon anteilig Steuern gemäß den Steuervorauszahlungsbescheiden für die Eheleute für 2012 und 2013 ab, was ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 2.357,75 EUR ergab. Da dieses das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen im Bemessungszeitraum überstieg, wurde nur Mindestelterngeld gewährt.

Die Klägerin legte am 12.09.2014 Widerspruch ein. Sie sei im Bezugszeitraum keinerlei Tätigkeit nachgegangen und habe auch keine Entnahmen getätigt. Anders als die GbR habe sie selbst kein Einkommen erzielt. Maßgeblich sei das Zufluss- bzw. das Realisationsprinzip. Eine Anrechnung von Einkommen widerspräche dem Zweck des Elterngeldes, während der Erziehungszeit einen finanziellen Ausgleich zu gewähren. Allein die hälftige Zuordnung des Einkommens in den Einkommensteuerbescheiden könne die Anrechnung nicht begründen. Die Klägerin nahm darüber hinaus Bezug auf einen Gesellschafterbeschluss vom 12.09.2014, mit dem die gelebte Praxis, insbesondere die Vereinnahmung sämtlicher Gewinne durch den Ehemann, gesellschaftsrechtlich bestätigt worden sei. Gerade weil mit diesem Beschluss nur die gelebte Praxis bestätigt worden sei, sei diese Gestaltung auch nicht rechtsmissbräuchlich.

Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2014 zurück und setzte die Vollziehung der Erstattungsforderung aus.

Die Klägerin hat am 09.01.2015 Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Sie hat ergänzend vorgetragen, das Vorgehen der Beklagten führe zu einer grundgesetzwidrigen Ungleichbehandlung im Vergleich mit Arbeitnehmerinnen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26.03.2014 (B 10 EG 4/13) sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Es fehle bereits am Zufluss von Einkommen. Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative hätten ausweislich des Gesellschafterbeschlusses vom 12.09.2014 vollständig beim Ehemann gelegen. Zudem sei die Rechtsprechung nicht auf Freiberufler anzuwenden. Wegen deren höchstpersönlicher Leistungserbringung sei anders als bei Personen- und Kapitalgesellschaften eine Weiterführung des Betriebs durch Dritte bei Steuerung durch den in Elternzeit be...

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