Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsicherungsträger hat gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 2 lediglich die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten zu übernehmen. Bei deren Ermittlung ist nicht auf eine Nettokaltmiete zuzüglich der tatsächlichen Betriebskosten, sondern auf die Bruttokaltmiete als einheitliche Angemessenheitsgrenze abzustellen. Diese ist aus einer abstrakt angemessenen Grundmiete und abstrakt angemessenen Betriebskosten zu bilden.

2. Die abstrakte Angemessenheitsgrenze ist nach der sog. Produkttheorie durch Multiplikation der abstrakt angemessenen Wohnfläche mit der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete je Quadratmeter im örtlichen Vergleichsraum zu ermitteln (BSG Urteil vom 16. 5. 2012, B 4 AS 109/11 R).

3. Die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze kann nicht unmittelbar aus einem Mietspiegel abgeleitet werden. Vielmehr sind die hinter einem Mietspiegel stehenden Daten geeignet, um die Angemessenheitsgrenze zu ermitteln (BSG Urteil vom 20. 12. 2011, B 4 AS 19/11 R).

4. Nach der Rechtsprechung des BSG kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maß Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Bruttokaltmiete im öffentlichen Vergleichsraum gibt, wenn diese zutreffend auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts ermittelt worden ist.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.08.2018; Aktenzeichen B 14 AS 444/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 29.12.2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Widerspruchsverfahren und ein Zehntel der außergerichtlichen Kosten des gerichtlichen Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Leistungen nach § 22 SGB II für Kosten der Unterkunft und Heizung i.H.v. insgesamt 480,00 EUR für die Monate Oktober 2013, Dezember 2013, Januar 2104 und März 2014.

Seit 2006 bezieht der am 00.00.1966 geborene Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Er bewohnte eine 54 m² große Wohnung M-straße 00, W. Die Bruttowarmmiete betrug 480,00 EUR (350,00 EUR Grundmiete + 57,06 EUR Betriebskostenvorauszahlung + 72,94 EUR Heizkostenvorauszahlung). Das Warmwasser wurde dezentral erzeugt (Durchlauferhitzer). Bis Februar 2011 wohnte die Tochter des Klägers mit in der Wohnung. Zum 01.04.2017 zog der Kläger um.

Seit November 2010 übernahm der Beklagte nicht mehr die tatsächlichen Unterkunftskosten, er legte der Ermittlung des Bedarfs nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II die Angemessenheitsgrenze für einen 2-Personen-Haushalts zu Grunde. Ab September 2011 berücksichtigte der Beklagte bei der Ermittlung des Bedarfs nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II zunächst nur noch eine Grundmiete von 216,00 EUR (Angemessenheitsgrenze für einen 1-Personen-Haushalt) zuzüglich der tatsächlichen Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen. Gegen die Höhe der bewilligten Unterkunftskosten für die Zeit ab September 2011 legte der Kläger Widerspruch ein und erhob Klage. Im Laufe der Klageverfahren bewilligte der Beklagte höhere Leistungen für Unterkunft und Heizung ab dem 01.09.2011 in Höhe der Summe einer Grundmiete (305,94 EUR) und Betriebskostenvorauszahlung (57,06 EUR), d.h. von 363,00 EUR, zuzüglich der tatsächlichen Heizkostenvorauszahlung. Der Betrag von 363,00 EUR entsprach dem für die Stadt W maßgeblichen Tabellenwert nach § 12 WoGG i.d.F. vom 09.12.2010 (a.F.) + 10% Zuschlag.

Seit dem 01.06.2013 verwendet der Beklagte für einen 1-Personen-Haushalt den Richtwert von 260,00 EUR als Grundmiete zuzüglich tatsächlicher Betriebskosten. Diese Angemessenheitsgrenze beruht auf dem von der Firma F erstellten Konzept "Herleitung von Mietobergrenzen für angemessene Kosten der Unterkunft gemäß § 21 SGB II und § 35 SGB XII nach einem schlüssigen Konzept im Kreis W Basisanalyse 2012" (erstellt am 27.05.2013).

Mit Bescheid vom 17.09.2013 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung i.H.v. 374,41 EUR monatlich für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 31.03.2014. Er legte einen Bedarf i.H.v. 780,79 EUR (382,00 EUR Regelbedarf + 8,79 EUR Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II + 390,00 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung) zugrunde. Die berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung setzten sich aus einer Grundmiete i.H.v. 260,00 EUR, einer Betriebskostenvorauszahlung i.H.v. 57,06 EUR sowie einer Heizkostenvorauszahlung i.H.v. 72,94 EUR zusammen. Auf diesen Bedarf rechnete der Beklagte Erwerbseinkommen i.H.v. 406,38 EUR monatlich an.

Gegen die Höhe der bewilligten Leistungen legte der Kläger Widerspruch ein. Mit Änderungsbescheid vom 23.11.2013 erhöhte der Beklagte wegen der Anpassung der Regelbedarfe zum 01.01.2014 die Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit vom 01.01.2014 bis zum 31.03.2014 auf 383,61 EUR monatlich. Dabei ging er von einem Bedarf i.H.v. 789,99 EUR (391,00 EUR Regelbedarf + 8,99 EUR Mehrbedarf nach § 21 Abs. 7 SGB II + 390,00 EUR Kosten der Unterkunft und Heizu...

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