Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Angelegenheiten des Vertragsarztrechts. Gemeinsamer Bundesausschuss ist Vereinigung der Ärzte und Krankenkassen. Rechtmäßigkeit von Therapiehinweisen zur Indikation, Wirkung und Wirksamkeit von Clopidogrel mit Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise

 

Orientierungssatz

1. Beim Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) handelt es sich um eine von den Trägerinstitutionen gebildete öffentlich-rechtliche Einrichtung, die ungeachtet der Änderung der inneren Strukturen mit Wirkung vom 1.7.2008 und trotz Einbindung der Deutschen Krankenhausgesellschaft eine Vereinigung der Ärzte und Krankenkassen iS des § 10 Abs 2 SGG darstellt (vgl LSG Essen vom 27.10.2010 - L 11 (10) KA 14/07).

2. Zur Frage der Rechtmäßigkeit von Therapiehinweisen des GBA zur Indikation, Wirkung und Wirksamkeit von Clopidogrel mit Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise (vgl BSG vom 31.5.2006 - B 6 KA 13/05 R = BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5).

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich jener des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Therapiehinweises des Beklagten vom 16.02.2000 zur Indikation, Wirkung und Wirksamkeit von Clopidogrel mit Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise.

Die Klägerin produziert und vertreibt in Deutschland das verschreibungspflichtige, bis 2013 patentgeschützte Fertigarzneimittel Plavix® mit dem Wirkstoff Clopidogrel, das als sogenannter Thrombozyten-Aggregationshemmer das Zusammenkleben von Blutplättchen hemmt und so der Entstehung von Thromben entgegenwirkt. Clopidogrel ist bei Erwachsenen zur Prävention atherothrombotischer Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall, vaskulär bedingter Tod, verursacht durch Gefäßverschluss infolge von Blutpfropfenbildung) indiziert. Der Thrombozyten-Aggregationshemmung dient auch die bereits Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte Acetylsalicylsäure (ASS), deren Patentschutz (unter dem Namen Aspirin) vor langer Zeit abgelaufen ist und von einer Vielzahl von Pharmaunternehmen hergestellt und angeboten wird. Plavix®, welches einen anderen Wirkmechanismus als ASS hat, erhielt auf der Grundlage der 1996 veröffentlichten CAPRIE-Studie (Clopidogrel Versus Aspirin in Patients at Risk of Ischemic Events, Lancet 1996, 348: 1329-1339) am 15.07.1998 die europäische Zulassung für die Anwendung bei Patienten mit anamnestisch bekannter symptomatischer Atherosklerose (Arterienverkalkung), definiert durch ischämischen (d.h. auf Durchblutungsstörung beruhenden) Schlaganfall (sieben Tage bis sechs Monate zurückliegend), Herzinfarkt (wenige Tage bis 35 Tage zurückliegend) oder nachgewiesene (symptomatische) periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK). Am 09.09.2002 erteilte die EG-Kommission auf der Basis der 2001 veröffentlichten CURE-Studie (Effects of clopidogrel in addition to asperin in patients with acute coronary syndroms without ST-segment elevation, New England Journal of Medicine 2001; 345 (7):494-502) eine Zulassungserweiterung für Patienten mit akutem Koronarsyndrom ohne ST-Strecken-Hebung (instabile Angina Pectoris oder Non-Q-Wave-Myokardinfarkt) in Kombination mit ASS.

Der Beklagte (vormals Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen - BAÄK -, seit 01.01.2004 Gemeinsamer Bundesausschuss - GBA -; im folgenden einheitlich als Beklagter bezeichnet) hat nach Durchführung eines Stellungnahmeverfahrens in seiner Sitzung am 16.02.2000 beschlossen, Anlage 4 der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinien (AMR)) wie folgt zu ergänzen:

Therapiehinweis nach Ziffer 14 Arzneimittel-Richtlinien

Clopidogrel

(z.B. Plavix®, Iscover®)

Indikation

Verminderung arteriosklerotischer Ereignisse (Myokardinfarkt, ischämischer Schlaganfall, vaskulär bedingter Tod) bei Patienten mit bekannter symptomatischer Arteriosklerose, definiert durch einen ischämiebedingten Schlaganfall (7 d bis 6 Mon zurückliegend), Myokardinfarkt (bis 35 d zurückliegend) oder nachgewiesene PAVK.

Im Handel sind zwei Präparate als Filmtabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 75 mg Clopidogrel (Iscover®, Plavix®). Die Salzform ist in beiden Präparaten als Hydrogensulfat identisch.

Wirkung

Clopidogrel hemmt irreversibel die Thrombozyten-Aggregation durch selektive Bindung an den mit der Adenylatcyclase gekoppelten ADP-Rezeptor an der Thrombozyten-Oberfläche. Dadurch wird die Bindung von Fibrinogen an die Plättchenoberfläche unterdrückt. Clopidogrel interagiert nicht direkt mit dem GP IIb/IIIa-Rezeptor auf der Plättchenoberfläche.

Wirksamkeit

Obwohl in mehreren kleineren Studien die Wirksamkeit von Clopidogrel (Clop) bereits nachgewiesen wurde, ist der therapeutische Vergleich mit ASS in der CAPRIE-Studie an 19.185 Patienten über einen Zeitraum von knapp 2 Jahren mit nachgewiesenen arteriosklerotischen Prozessen von besonderem Gewicht...

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