Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenzahnärztliche Vereinigung Nordrhein. Honorarkürzung von Vertragszahnärzten wegen Nichterfüllung der Fortbildungspflicht im Rahmen der vereinbarten Einzelleistungsvergütung. Überzahlung. Auskunftsanspruch und öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Krankenkasse. Ausschluss, wenn entweder unmittelbarer Zusammenhang zwischen Höhe der vereinbarten Vergütung und Erbringung der einzelnen zahnärztlichen Leistungen fehlt oder die Abschläge nach § 95d Abs 3 SGB 5 von Regelungen über pauschale Abschläge für Honorarberichtigungen und Rückflüsse aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach der Vergütungsvereinbarung umfasst sind (hier verneint). Begriff der "Honorarberichtigung"

 

Orientierungssatz

1. Hat eine Kassenzahnärztliche Vereinigung im Rahmen der vereinbarten Einzelleistungsvergütung gegenüber einer Krankenkasse die Behandlungsleistungen von Vertragszahnärzten, welche die Erfüllung ihrer Fortbildungsverpflichtung nicht nachgewiesen hatten, vollständig in Ansatz gebracht, obwohl sie den betroffenen Vertragszahnärzten diese Leistungen nach § 95d Abs 3 S 3 SGB 5 nur gekürzt vergütete, ist eine Überzahlung entstanden. Der Krankenkasse steht diesbezüglich ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu (vgl BSG vom 27.6.2018 - B 6 KA 60/17 R = SozR 4-2500 § 95d Nr 2).

2. Eine Abweichung gegenüber der vom BSG im Urteil vom 27.6.2018 - B 6 KA 60/17 R aaO skizzierten Rechtslage würde sich nur dann ergeben, wenn entweder der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Höhe der vereinbarten Vergütung und der Erbringung der einzelnen zahnärztlichen Leistungen fehlt oder wenn die Honorarkürzungen nach § 95d Abs 3 SGB 5 von einem pauschalen Abschlag auf die Gesamtvergütung für Honorarberichtigungen und Rückflüsse aus Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach der jeweiligen Vergütungsvereinbarung umfasst wären.

3. Zum Begriff der "Honorarberichtigung".

4. Der Auskunftsanspruch einer Krankenkasse gegenüber einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung aus einem dem Grunde nach bestehenden öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch bezieht sich nur auf Daten, die zur Bezifferung des Zahlungsanspruchs erforderlich sind (hier: Auskunft über die Höhe der erfolgten Honorarkürzungen nach § 95d Abs 3 SGB 5, soweit sie anteilig auf die jeweilige Krankenkasse entfallen). Die namentliche Benennung der betroffenen Ärzte kann hingegen nicht verlangt werden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 30.09.2020; Aktenzeichen B 6 KA 5/19 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin beansprucht im Wege der Stufenklage die Auskehrung von Honoraranteilen, welche die beklagte Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) gegenüber ihren Mitgliedern wegen nicht erbrachten Fortbildungsnachweises gemäß § 95d Abs. 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gekürzt hatte. Gegenstand dieses Berufungsverfahrens ist die erste Stufe (Auskunftsanspruch).

Die Klägerin machte unter dem 04.12.2015 gegenüber der Beklagten - zunächst dem Grunde nach - die Auskehrung von Beträgen aus Honorarkürzungen nach § 95d SGB V geltend, soweit sie für die Zeit ab 01.01.2011 auf sie entfallen seien.

Nachdem die der Beklagten gesetzte Frist bis zum 15.12.2015 fruchtlos verstrichen war, hat die Klägerin am 18.12.2015 Klage erhoben. Sie hat die Ansicht vertreten, auch wenn die Rechtskreise "Honorarverteilung" einerseits und "Gesamtvergütung" andererseits grundsätzlich getrennt seien, bestünden Wechselbeziehungen insoweit, als bei einer Berechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen - wie hier - die Summe der abgerechneten Einzelleistungen den Gesamtvergütungsanspruch ergebe. Da der Vergütungsanspruch des jeweiligen Vertrags(zahn)arztes von vornherein nur in entsprechend verminderter Höhe konkretisiert werde, habe dies bei Einzelleistungsvergütungen unmittelbar Auswirkung auf die Höhe der von der Krankenkasse zu zahlenden Gesamtvergütung. Fordere die Beklagte eine höhere Gesamtvergütung von der Klägerin ab, als Vergütungsansprüche tatsächlich bestünden, erfolgten diese Zahlungen rechtsgrundlos und seien der Klägerin auf der Grundlage des allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs zurückzuzahlen. Mit § 95d SGB V habe der Gesetzgeber ein neues Honorarkürzungsverfahren eingeführt, das weder unmittelbar der Abrechnungsprüfung nach § 106d SGB V noch einer Disziplinarmaßnahme nach § 81 Abs. 5 SGB V zuzuordnen sei.

Ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen der gekürzten Honoraranteile ergebe sich nicht aus § 8 Abs. 3 der zwischen der Beklagten und u.a. der Klägerin geschlossenen Vergütungsvereinbarung. Diese gesamtvertragliche Regelung spreche ausschließlich von Kürzungsbeträgen aus Honorarberichtigungen und Wirtschaftlichkeitsprüfungen, habe 1999 ihren Ursprung im Gesetz zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-SoIG) gehabt und ausschließlich zur Vereinfachung eine pauschale Berichtigungsquote von 0,4 % zugrunde gelegt. Zu die...

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