rechtskräftig

 

Verfahrensgang

SG Aachen (Entscheidung vom 21.06.1995; Aktenzeichen S 12 V 81/92)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 21. Juni 1995 abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 24. September 1991 und 30. April 1992 verurteilt, der Klägerin unter Anerkennung von "Endogene Psychose, seit April 1994 im chronifizierten Endzustand", Versorgung für den Zeitraum von April 1991 bis März 1994 nach einem Grad der MdE um 75 v.H. und ab April 1994 nach einemsolchen von 100 v.H. zu gewähren. Die weitergehende Klage wird abgewiesen. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichenKosten in beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist nur noch die Anerkennung einer Psychose als weitere Schädigungsfolge und die Gewährung einer entsprechend höheren Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die im Juli 1926 geborene Klägerin stammt aus dem bereits im Jahre 1921 zu Polen gelangten Teil Oberschlesiens, von wo sie im April 1991 in die Bundesrepublik Deutschland übersiedelte und als deutsche Staatsangehörige anerkannt wurde. Noch von Polen aus beantragte sie im April 1990 Leistungen nach dem BVG beim Versorgungsamt (VA) Ravensburg/Baden-Württemberg wegen "Gemütsstörungen", die sie auf Repressionen durch die sowjetrussische Besatzungsmacht zu Beginn des Jahres 1945 sowie die anschließende Verschleppung in das Weißmeerkanalbaulager Kandalakschka zurück führte; von dort sei sie Anfang 1947 krank und arbeitsunfähig in tiefster seelischer Depression entlassen worden.

Der Beklagte, an den der Vorgang nach der Übersiedlung der Klägerin abgegeben worden war, lehnte den Antrag ab, weil die Depressionen nicht auf Haft- und Kriegsereignisse zurückzuführen seien; vielmehr handele es sich um eine endogene manisch-depressive Erkrankung, die erst drei Jahre nach dem Lageraufenthalt erstmals nachgewiesen worden sei. Somit fehle es an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen dieser psychischen Erkrankung und den geschilderten schädigenden Ereignissen (Bescheid vom 24. September 1991; Widerspruchsbescheid vom 30. April 1992).

Mit ihrer am 27. Mai 1992 beim Sozialgericht (SG) eingegangenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren auf Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem BVG weiterverfolgt.

Im Verhandlungstermin vor dem SG hat der Beklagte sich durch angenommenes "Teilanerkenntnis" bereit erklärt, Erlebnisreaktiven Persönlichkeitswandel nach außergewöhnlicher Belastung als Schädigungsfolge anzuerkennen und ab April 1990 Versorgung nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 v.H. zu gewähren.

Die Klägerin hat unter Bezugnahme auf das weiterreichende Beweisergebnis beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,

unter Abänderung des Bescheides vom 24.09.1991 in der

Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.04.1992 und des angenommenen Teilanerkenntnisses vom 21.06.1995 bei ihr "Depressionen" als weitere Schädigungsfolgen anzuerkennen und ihr Versorgungsbezüge nach einer MdE von 100 v.H. anstelle der bisherigen 40%igen MdE seit dem 01.08.1990 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die bei der Klägerin seit etwa 1950 nachgewiesene "phasenhaft verlaufende endogene Depression" sei nicht auf die Erlebnisse in der ehemaligen UdSSR zurückzuführen; zumindest spreche mehr gegen als für einen ursächlichen Zusammenhang.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigen gutachtens von Prof. Dr. S ..., Direktor der P ... K ... der ... A ... Nach der Beurteilung des Sachverständigen ist neben dem Erlebnisreaktiven Persönlichkeitswandel nach außergewöhnlicher Belastung auch die bei der Klägerin vorliegende Phasenhaft verlaufende endogene Depression als Schädigungsfolge anzuerkennen, weil die außergewöhnliche lebenssituative Belastung in den ersten Nachkriegsjahren neben der persönlichen Disposition eine weitere wesentliche Teilursache für die Entstehung dieses Leidens sei. Da die derzeit vorliegende depressive Phase bereits seit August 1990 andauere, betrage der Grad der MdE wegen der schwer wiegenden Beeinträchtigungen durchgehend 100 v.H. (Gutachten vom 30. April 1994 und ergänzende Stellungnahme vom 24. März 1995).

Das SG ist dieser Einschätzung gefolgt und hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt (Urteil vom 21. Juni 1995, dem Beklagten am 17. Juli 1995 zugestellt).

Mit seiner am 14. August 1995 beim erkennenden Gericht eingegangenen Berufung hat sich der Beklagte gegen diese Verurteilung gewandt: Der Zusammenhangsbeurteilung des Sachverständigen könne nicht gefolgt werden, weil es - wie der Sachverständige selbst einräume - bei affektiven Psychosen, wozu die bei der Klägerin vorliegende endogene Depression gehöre, kein Kriterium für die Beurteilung der Frage gebe, ob einem Erlebnis oder einer Erkrankung im Vorfeld einer affektiven Psychose pathogenetische Bedeutung zukomme. Vielmehr handele es sich ...

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