Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzungsmerkmale zwischen abhängiger Beschäftigung und selbständiger Tätigkeit

 

Orientierungssatz

1. Bei der Frage, ob eine Berufstätigkeit als versicherungspflichtige Beschäftigung oder als selbständige Tätigkeit zu bewerten ist, ist eine Abgrenzung nach den Gesamtumständen vorzunehmen. Hierbei ist die Annahme einer selbständigen Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, eine eigene Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und eine frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet.

2. Die Freiheit, Einzelaufträge anzunehmen oder abzulehnen, stellt ein Indiz für eine selbständige Tätigkeit dar. Ebenso gilt dies dann, wenn hinsichtlich der zeitlichen Gestaltung bei der Erledigung der Aufträge ein gewisser Spielraum vorhanden ist oder Aufträge an andere weitergegeben werden können.

3. Werden zur Erfüllung der Aufträge eigene Betriebsmittel eingesetzt oder wird die Vergütung übernommener Aufträge einvernehmlich geregelt und ist der Betreffende am Markt werbend tätig, so überwiegen insgesamt die Merkmale einer selbständigen Tätigkeit gegenüber solchen einer abhängigen Beschäftigung.

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 02.08.2005 geändert. Unter Aufhebung der Bescheide vom 31.08.2001 und 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2003 wird festgestellt, dass der Beigeladene zu 1) vom 27.04.1998 bis 30.11.2000 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden hat. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 12.500 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Status des Beigeladenen zu 1) während seiner Tätigkeit für die Klägerin.

Der Beigeladene zu 1), der unter der Firma H Gesellschaft für Verkaufsförderung und Serviceleistungen auftrat, war vom 27.04.1998 bis 30.11.2000 für die Klägerin, die den Vertrieb der Waren von Produzenten betreut, im Rahmen eines sogenannten Regalservice tätig. Dabei übernahm er den Um- und Aufbau der Verkaufsregale und den Auf- und Abbau von Dekorationen in Einzelhandelsgeschäften sowie die Einordnung der an die Geschäfte gelieferten Waren. Ferner suchte er - falls gewünscht - Einzelhandelsgeschäfte auch ohne Anlass regelmäßig zur Kundenbetreuung auf. Ein schriftlicher Vertrag zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) bestand nicht. Der Beigeladene zu 1) hatte der Klägerin die Übernahme von Aufträgen angeboten. Die Klägerin teilte ihm angekündigte Warenlieferungen sowie anfallende Um- und Aufbauten einige Tage im Voraus mit, wobei der Beigeladene zu 1) jeweils die Möglichkeit hatte, entsprechende Aufträge abzulehnen. Für die Ausführung der Aufträge stand ihm ein zeitlicher Rahmen von ein bis zwei Tagen zur Verfügung. Die Abrechnung der Tätigkeit erfolgte bei Warenlieferungen nach einem Prozentsatz des Warenwertes, bei anderen Tätigkeiten auf Basis einer Stundenvergütung. Die Höhe der Vergütung war zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) vereinbart worden.

Im fraglichen Zeitraum erledigte der Beigeladene zu 1) noch für zwei weitere Auftraggeber vergleichbare Aufträge; nach seiner Angabe in erheblich größerem Umfang als für die Klägerin. Von 1996 bis etwa Ende 1998 hatte der Beigeladene zu 1) nach seinem Vortrag bundesweit den Regalservice für eine andere Firma übernommen und für die Abwicklung dieser Aufträge etwa 200 geringfügig Beschäftigte eingesetzt. Während seiner Tätigkeit trat er mit eigenem Briefpapier, Visitenkarten und Referenzen werbend am Markt auf.

Der Beigeladene zu 1) beantragte mit Schreiben vom 01.08.2000 bei der Beklagten die Feststellung, dass kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestehe. Die Beklagte teilte der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 23.03.2001 mit, dass die Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnis beabsichtigt sei. Die Merkmale eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses überwögen. Zwar seien dem Beigeladenen zu 1) die Arbeitszeit und bestimmte Anwesenheitszeiten nicht vorgeschrieben, jedoch ergebe sich aus der Natur der Tätigkeit, dass die Platzierung der Waren nur während der Geschäftszeiten vorgenommen werden könne. Bei Aufnahme eines Auftrags werde der Arbeitsort durch den Auftraggeber festgelegt, außerdem erfolgten Vorgaben für die Durchführung des Auftrags. Obwohl nach den vertraglichen Abmachungen die Arbeitszeit frei gestaltet werden könne, sei der Beigeladene zu 1) in der Disposition der Arbeitszeit nicht frei, denn es bestehe eine tatsächliche Verpflichtung, die von ihm zu betreuenden Märkte regelmäßig und rechtzeitig mit den notwendigen Waren zu versorgen. Mithin unterliege er bezüglich Zeit, Dauer, Art und Ort der Arbeitsausführung dem Direktionsrecht des Arbeitgebers. Über den Arbeitseinsatz könne er nicht disponieren, wie dies bei selbständigen Unternehmern möglich sei. Der Beigeladene zu 1) trage ...

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