Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung der Berufung. Wert des Beschwerdegegenstandes. Umdeutung eines unzulässigen Rechtsmittels

 

Orientierungssatz

1. Die frühere Differenzierung zwischen Leistungen, die dem Bürger zu erbringen sind, und Leistungen wie Beiträgen, die der Bürger zu erbringen hat, ist mit der seit 1993 geltenden Fassung des § 144 Abs 1 SGG entfallen (vgl BSG vom 28.1.1999 - B 12 KR 51/98 B = SozR 3-1500 § 144 Nr 16).

2. An der Höhe eines zugrundezulegenden Beschwerdewerts ändert sich auch dadurch nichts, dass neben der Anfechtungsklage eine Nichtigkeitsklage erhoben wird. Maßgeblich sind nämlich nicht Wortwahl oder Klageart, sondern das mit der Klage verfolgte Ziel (vgl BSG vom 26.9.1989 - 11 RAr 29/88 = SozR 4100 § 44 Nr 52 und vom 20.5.2003 - B 1 KR 25/01 R = SozR 4-1500 § 158 Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 09.01.2008; Aktenzeichen B 12 KR 24/07 B)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Köln vom 5. Dezember 2005 wird als unzulässig verworfen.

Kosten haben die Beteiligten einander auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin rügt, die Beklagte habe zu ihren Lasten gegen den Grundsatz des Art 7 Abs 1 S. 1 des Beitragssatzsicherungsgesetzes ≪BSSichG≫ vom 23.12.2002 (BGBl 4637) verstoßen, nach dem Beitragssatzanhebungen der Krankenkassen (§ 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB≫) bis zum 31. Dezember 2003 nur zulässig waren, wenn die dafür erforderlichen Satzungsänderungen vor dem 7. November 2002 ≪dem Datum der 1. Lesung des Gesetzes im Deutschen Bundestag≫ genehmigt waren. Die Beklagte erhebt die Beiträge der Klägerin zur freiwilligen Krankenversicherung auf der Grundlage des Mindestbetrages der beitragspflichtigen Einnahmen nach § 240 Abs 4 S. 1 des SGB V. Sie hat der Klägerin mitgeteilt, ab dem 1. März 2003 werde ihr Beitrag statt nach dem bisherigen ermäßigten Beitragssatz von 13,6 vH nach dem ab dem 1.1.2003 erhöhten ermäßigten Beitragssatz der Kasse von 14,3 vH festgesetzt (Anhörungsschreiben vom 21.1.2003, Bescheid vom 21.2.2003 und Widerspruchsbescheid vom 27.5.2003). Die Klägerin hat deswegen zunächst eine Nichtigkeitsklage (S 19 KR 38/03 SG Köln) und alsdann Anfechtungsklage (S 19 KR 113/03 SG Köln) erhoben. Während der Klageverfahren hat die Beklagte die Beiträge der Klägerin für die Zeit ab dem 1.1.2004 auf der Grundlage des von 14,3 auf 13,8 vH gesenkten ermäßigten Beitragssatzes festgesetzt (Änderungsbescheid vom 4.2.2004). Der Bevollmächtigte der Klägerin hat dazu mit Schriftsatz vom 21.7.2004 erklärt, dagegen wende sich die Klägerin nicht.

Das Sozialgericht ≪SG≫ Köln hat die Klagen unter dem Aktenzeichen S 19 KR 38/03 verbunden, mit Urteil vom 5. Dezember 2005 abgewiesen und in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils mitgeteilt, das Urteil könne mit der Berufung angefochten werden. Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten am 17.3.2006 zugestellte Urteil am 29.3.2006 durch den Bevollmächtigten Berufung eingelegt.

Beginnend mit Beschluß vom 22.12.2006, mit dem der Senat eine Gegenvorstellung der Klägerin wegen der Versagung einstweiligen Rechtsschutzes zurückgewiesen hat (L 16 KR 99/06 ER LSG NW = S 19 KR 38/03 SG Köln), hat der Senat die Frage aufgeworfen, ob nicht das Rechtsmittel der Berufung entgegen der Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Urteil nicht statthaft sei.

Zur mündlichen Verhandlung am 8.2.2007 ist für die Klägerin niemand erschienen. Die Benachrichtigung vom Termin ist ihrem Bevollmächtigten ausweislich seines Empfangsbekenntnisses am 15.1.2007 zugestellt worden. Mit der Nachricht ist darauf hingewiesen worden, daß auch in Abwesenheit der Klägerin und eines Bevollmächtigten der Klägerin verhandelt und entschieden werden könne.

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 5.12.2005 als unzulässig zu verwerfen.

Das beigeladene Amt stellt keinen Antrag.

Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze in beiden Rechtszügen verwiesen. Außer den Streitakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen: drei Band und ein Faszikel Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Akte des SG Köln mit dem Aktenzeichen S 19 KR 48/03 ER.

 

Entscheidungsgründe

Obgleich für die Klägerin zur mündlichen Verhandlung niemand erschienen ist, konnte der Senat verhandeln und entscheiden, denn die Beigeladene ist - mit Hinweis auf diese Möglichkeit - ordnungsgemäß zur mündlichen Verhandlung am 8.2.2007 geladen worden (§ 153 Abs 1 iVm § 110 Abs 1 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫, § 126 SGG; Bundessozialgericht ≪BSG≫ in SozR Nr 5 zu § 110 SGG). Es gaben auch die kurz vor dem Termin gestellten, an Mißbrauch grenzenden, wiederholten Ablehnungsgesuche des Bevollmächtigten der Klägerin keinen Anlaß, die mündliche Verhandlung zu vertagen, denn einerseits mußte der Bevollmächtigte der Klägerin damit rechnen, daß die dafür zuständigen Richter, wie geschehen, vor Begi...

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