Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Erbschaft. Insolvenzverfahren. angekündigte Restschuldbefreiung. Obliegenheit in der Wohlverhaltensphase. Überweisung der Hälfte der Erbschaft an den Insolvenzverwalter

 

Orientierungssatz

1. Einnahmen aus einer Erbschaft, die nach Antragstellung auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende während des ununterbrochenen Leistungsbezuges zugeflossen sind und die auf einem ebenfalls während des Leistungsbezuges eingetretenen Erbfall basieren, stellen Einkommen iS von § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 und kein Vermögen iS von § 12 SGB 2 dar. Ab dem Zeitpunkt der Auszahlung des Erbteils bzw des tatsächlichen Zuflusses verfügt der Erbe über bereite Mittel zur Bedarfsdeckung.

2. Die zugeflossene Erbschaft ist auch dann in voller Höhe gem § 11 SGB 2 als Einkommen zu berücksichtigen, wenn unmittelbar nach Zufluss die Hälfte der Erbschaft an einen vom Gericht bestimmten Treuhänder iS des § 287 InsO zur Erfüllung der Obliegenheit in der Wohlverhaltensphase des Insolvenzverfahrens (§ 295 Abs 1 Nr 2 InsO) überwiesen wurde, um eine angekündigte Restschuldbefreiung nicht zu gefährden.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.06.2013; Aktenzeichen B 14 AS 73/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.03.2012 wird zurückgewiesen. Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum von August 2011 bis Ende Januar 2012.

Die Klägerin zu 1), ihre beiden Kinder S (geboren am 00.00.2006) und M-H (00.00.2008), sowie der Kläger zu 2) bezogen seit Mitte 2005 laufend Leistungen nach dem SGB II. Über das Vermögen der Klägerin zu 1) wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 18.01.2007 ein Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Treuhänder wurde Rechtsanwalt C ernannt. Mit Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 31.08.2007 wurde der Klägerin zu 1) gemäß § 291 Insolvenzordnung (InsO) die Restschuldbefreiung angekündigt. Danach erlangt die Schuldnerin die Restschuldbefreiung dann, wenn sie binnen sechs Jahren ab dem 18.01.2007 ihren Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach § 297 oder § 298 InsO nicht vorliegen.

Am 18.11.2010 starb der Vater der Klägerin zu 1) und diese wurde - ausweislich eines entsprechenden Erbscheins des Amtsgerichts Neuss - Erbin zu 1/3. Mit Schreiben vom 14.12.2010 teilte die Klägerin zu 1) der Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) mit, dass sie die Erbschaft annehmen wolle. Die Hälfte des Erbes falle jedoch in die Insolvenzmasse und stehe ihr nicht zu. Sie habe nur einen Anspruch auf Auszahlung in Höhe der halben Erbschaft

Mit Bescheid vom 24.08.2011 bewilligte der Beklagte den Klägern und den Kindern S und M-H Leistungen für den Zeitraum vom 01.03. bis 31.07.2011 in Höhe von monatlich 1.389,00 EUR.

Im Rahmen eines Antrags auf Weiterbewilligung der Leistungen für die Zeit ab dem 01.08.2011 gab die Klägerin zu 1) an, die monatliche Grundmiete für ihre Wohnung betrage weiterhin 404,00 EUR und die monatlichen Heizkostenvorauszahlungen beliefen sich auf 110,00 EUR sowie die monatlichen Nebenkostenvorauszahlungen auf 165,00 EUR. Darüber teilte sie mit, sie zahle für eine Garage Miete in Höhe von 39,25 EUR. Sie gab überdies an, dass der Kläger zu 2) ein Einkommen in Höhe von monatlich 110,00 EUR erziele und die Kinder ein Kindergeld in Höhe von zusammen 368,00 EUR erhielten. Als Ausgaben für Versicherungen gab sie eine von ihr abgeschlossene Kfz-Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 40,00 EUR, eine Hausratversicherung in Höhe von monatlich 16,36 EUR und eine Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 7,20 EUR an.

Am 15.07.2011 wurden die Konten des verstorbenen Vaters aufgelöst. Es ergab sich ein Auszahlungsbetrag von 45.859,06 EUR, wovon die Klägerin 1/3, d.h. 15.286,35 EUR erhielt. Unmittelbar nachdem die Klägerin zu 1) das Geld erhalten hatte, überwies sie die Hälfte hiervon (7.643,17 EUR) auf ein Fremdgeldkonto des gerichtlich bestellten Treuhänders. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kläger die für den Monat Juli 2011 bewilligten Leistungen nach dem SGB II bereits erhalten.

Mit Bescheid vom 12.08.2011 lehnte der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Klägerin und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ab. Die Klägerin habe am 15.07.2011 Einkommen in Höhe von 15.286,35 EUR erzielt, da ihr in dieser Höhe ihr Erbteil zugeflossen sei. Dieses Einkommen sei auf sechs Monate aufzuteilen, was eine monatliche Anrechnung von 2.547,73 EUR ergebe.

In der Zeit ab September 2011 zahlten die Kläger monatliche Beiträge für eine Krankenversicherung in Höhe von 150,00 EUR.

Gegen den Bescheid vom 12.08.2011 legte die Klägerin zu 1) am 18.08.2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die E...

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