Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeldanspruch. Anwartschaftszeit. Verlängerung der Rahmenfrist. Kinderbetreuung. Vollendung des 3. Lebensjahres. älteres Adoptivkind. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Nichtverlängerung der Rahmenfrist nach § 124 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 3 um Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Adoptivkindes, die nach Vollendung des 3. Lebensjahres liegen, stellt weder einen Wertungswiderspruch zu § 15 BErzGG noch eine Verletzung des Art 3 Abs 1 GG dar.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 25.11.2004; Aktenzeichen 1 BvR 2303/03)

BSG (Urteil vom 04.09.2003; Aktenzeichen B 11 AL 9/03 R)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für die Zeit ab 06.06.2000 Arbeitslosengeld verlangen kann.

Die 1965 geborene Klägerin war in der Zeit vom 01.02.1984 bis 06.06.2000 bei der Volksbank O als Kreditsachbearbeiterin beschäftigt. In der Zeit vom 14.10.1997 bis 06.06.2000 war sie im Erziehungsurlaub für ihre ... 1993 geborene Adoptivtochter. Hierfür erhielt sie vom 15.10.1997 bis 14.10.1999 Erziehungsgeld nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). Am 29.05.2000 beantragte sie für die Zeit ab 07.06.2000 Arbeitslosengeld. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 12.06.2000 mit der Begründung ab, die Klägerin habe innerhalb der Rahmenfrist von 3 Jahren nicht mindestens 260 Kalendertage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden. Den hiergegen eingereichten Widerspruch begründete die Klägerin damit, die Zeiten des Bezuges von Erziehungsgeld seien mit zu berücksichtigen. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.08.2000 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet mit der Begründung zurück: Nur Zeiten des Erziehungsurlaubs bis zum 3. Lebensjahr des Kindes könnten die Rahmenfrist verlängern. Zeiten des Bezuges von Erziehungsgeld nach dem BErzGG seien nicht anspruchsbegründend. Zu Beginn des Erziehungsurlaubs sei die Adoptivtochter der Klägerin jedoch schon 4 Jahre alt gewesen, so dass hier eine Verlängerung der Rahmenfrist nicht in Betracht komme.

Die Klägerin hat hiergegen am 31.08.2000 vor dem Sozialgericht Köln Klage erhoben und die Ansicht vertreten: Auch die Zeiten für die Erziehung ihrer Adoptivtochter nach dem 3. Lebensjahr seien zu berücksichtigen. Der Gesetzgeber sehe im BErzGG für Adoptivkinder den Bezug von Erziehungsgeld bis zum 7. Lebensjahr vor. Für eine Ungleichbehandlung im SGB III fehle daher ein wichtiger Grund.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid vom 12.07.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.08.2000 anzuheben und ihr Arbeitslosengeld ab 06.06.2000 nach den gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ergänzend darauf hingewiesen, dass der Wortlaut des § 124 SGB III eindeutig nur Erziehungszeiten bis zum 3. Lebensjahr berücksichtige.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 08.05.2001 u.a. mit folgender Begründung abgewiesen: Die Klägerin könne Arbeitslosengeld ab 06.06.2000 nicht verlangen. Sie erfülle nämlich die Anwartschaftszeit nicht, weil sie innerhalb der Rahmenfrist nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Gemäß § 124 Abs. 1 SGB III betrage die Rahmenfrist 3 Jahre und beginne mit dem Tag vor Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gemäß § 124 Abs. 3 SGB III würden in die Rahmenfrist nicht mit eingerechnet u.a. Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen, welches das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Vorliegend sei die maßgebende Rahmenfrist die Zeit vom 05.06.2000 bis zum 05.06.1997. In dieser Zeit habe die Klägerin nicht mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Die Klägerin habe zwar bis zum 06.06.2000 in einem Arbeitsverhältnis gestanden. Es komme jedoch nicht auf die Dauer des Arbeitsverhältnisses, sondern nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes auf das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses an. Die Klägerin habe sich vom 14.10.1997 bis 06.06.2000 im Erziehungsurlaub befunden. Dieser begründe keine Versicherungspflicht. Es sei auch eine Verlängerung der Rahmenfrist für die Dauer des Erziehungsurlaubs nicht in Betracht gekommen, da nach dem Wortlaut des § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III lediglich Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes des Arbeitslosen nicht mit in die Rahmenfrist eingerechnet würden, solange das zu betreuende Kind das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die am 07.06.1993 geborene Adoptivtochter der Klägerin habe zu Beginn des Erziehungsurlaubs am 14.10.1997 bereits das 4. Lebensjahr vollendet, so dass die Zeiten der Betreuung des Kindes nicht zu einer Verlängerung der Rahmenfrist führten. Die Kammer habe keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der vorgenannten Vorschrift. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege nicht vor. Es sei grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, welche Merkmale er als maßgebend für eine Gleich- oder Ungleichbehand...

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