Entscheidungsstichwort (Thema)

sozialgerichtliches Verfahren. Schwerbehindertenrecht. ordnungsgemäße Prozeßvertretung des Landes Nordrhein-Westfalen durch die Bezirksregierung Münster nach Auflösung des Landesversorgungsamtes. Umweltkrankheiten. Multiple Chemical Sensitivity Syndrom. AHP

 

Orientierungssatz

1. Zur ordnungsgemäßen Prozeßvertretung des Landes Nordrhein-Westfalen iS des § 71 Abs 5 SGG durch die Bezirksregierung Münster als Folge der Auflösung der bisherigen Landesoberbehörde "Landesversorgungsamt" (vgl LSG Essen vom 30.1.2001 - L 6 SB 100/99, LSG Essen vom 25.01.2001 - L 7 SB 47/99, LSG Essen vom 31.01.2001 - L 10 VS 28/00).

2. Nach der Niederschrift über die Tagung der Sektion "Versorgungsmedizin" des ärztlichen Sachverständigenbeirates beim BMA vom 25. bis 26.11.1998 kommen als Vergleichsmaßstab für die Bewertung von "Umweltkrankheiten" - wie ua Multiple Chemical Sensitivity-Syndrom -, die mit vegetativen Symptomen, gestörter Schmerzverarbeitung, Leistungseinbußen und Körperfunktionsstörungen, denen kein oder primär kein organischer Befund zugrundeliegt, einhergehen, als Vergleichsmaßstab am ehesten die in Ziffer 26.3, S 60f AHP unter "neurologische Persönlichkeitsstörungen" genannten psychovegetativen oder psychischen Störungen mit Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit und evtl sozialen Anpassungsschwierigkeiten in Betracht.

 

Tatbestand

Umstritten sind die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "G" (erhebliche Gehbehinderung).

Im Mai 1993 hatte der Beklagte bei der 1930 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung der Behinderungen:

"1. Psychovegetatives Syndrom, Herz- Kopf-Beschwerden, rezidivierende Gefühlsstörungen linke Körperhälfte, Depressionen,

2.  Chronisch rezidivierende Zystitis, doppelte Nieren-Harnleiteranlage links,

3.  Chronische Gastritis,

4.  Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, rheumatische Beschwerden, Neuralgien, Schulter-Arm-Syndrom,

5.  Verlust der Gebärmutter,

6.  Narbe nach operativer Entfernung eines Magenpolypen,"

-- wie zuvor bereits im November 1979 -- einen GdB von 50 festgestellt.

Mit ihrem Änderungsantrag von Dezember 1995 machte die Klägerin u.a. unter Hinweis auf ein "Multiple Chemical Sensivity-Syndrom (MCS)" einen höheren GdB sowie das Merkzeichen "G" geltend.

Nach Auswertung beigezogener sowie von der Klägerin eingereichter medizinischer Unterlagen lehnte es der Beklagte ab, einen höheren GdB als 50 und den Nachteilsausgleich "G" festzustellen (Bescheid vom 07.03.1996).

Im anschließenden Widerspruchsverfahren trug die Klägerin unter Vorlage eines im Streitverfahren SG Köln -- S 9 (2) Kr 20/94 -- zur Frage einer Amalgamunverträglichkeit nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstellten Gutachtens des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. S vom 03.05.1996 im wesentlichen vor, ihre MCS-Erkrankung sei nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Auf der Grundlage eines daraufhin eingeholten ärztlichen Gutachtens der Regierungsmedizinaldirektorin Dr. G von November 1996 erhöhte der Beklagte nunmehr unter Berücksichtigung der Behinderungen:

"1. Psychovegetatives Syndrom bei Chemikalien-Intoleranz-Syndrom mit Immunschwäche und konsekutiv hoher Infektfrequenz und wechselnder Funktionsstörung multipler Organe bei Amalgamüberempfindlichkeit,

2.  Wirbelsäulensyndrom bei degenerativen Veränderungen, Schulter-Arm-Syndrom, Belastungsinsuffizienz der Hüft- und Kniegelenke,

3.  Nieren-Harnleiter-Fehlanlage links, rezidivierende Harnwegsinfekte, Verlust der Gebärmutter, Blasenentleerungsstörung,

4.  Chronische Gastritis, Reizmagen, Narbe nach operativer Entfernung eines Magenpolypen,"

den GdB von 50 auf 60 und wies den Widerspruch im übrigen zurück (Teil-Abhilfebescheid vom 11.12.1996 und Widerspruchsbescheid vom 14.02.1997).

Mit ihrer hiergegen am 10.03.1997 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt und geltend gemacht, insbesondere die mit der MCS-Erkrankung einhergehenden Beschwerden würden zu erheblichen Einschränkungen in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens führen. Insgesamt hat sie einen GdB von mindestens 80 sowie die Feststellung des Nachteilsausgleichs "G" für gerechtfertigt erachtet. Dabei hat sie sich insbesondere auf ein nach § 109 SGG eingeholtes Gutachtens des Dr. Schwinger vom 09.08.1999 gestützt und die Auffassung vertreten, dass Dr. S -- anders als die weiterhin gehörten Sachverständigen -- im Hinblick auf ihre MCS-Erkrankung über das notwendige Fachwissen verfüge. Deshalb sei seiner Beurteilung zu folgen.

Das Sozialgericht hat ein internistisches Sachverständigengutachten des Dr. S vom 20.01.1998 sowie ein orthopädisches Zusatzgutachten des Dr. M-A vom 09.12.1997 und ein nervenärztliches Zusatzgutachten der Dr. K vom 24.09.1997 eingeholt. Dr. S hat unter Zugrundelegung eines Teil-GdB von 30 für ein "Psychosomatisches Syndrom" entsprechend der Beurteilung des Dr. K, eines Teil-GdB von 20 für "Verschleißbeschwerden der ...

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