Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit des Sozialgerichts bei Klage gegen das Jobcenter wegen Feststellung der Erwerbsfähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Wendet sich der Kläger mit seiner Klage gegen das Jobcenter und dessen Annahme seiner Erwerbsunfähigkeit entsprechend § 44 a SGB 2, so sind dafür die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG zuständig. Diese entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

2. Entscheidend ist hierbei, dass die Klage nach der Vorstellung des Klägers auf Beseitigung eines hoheitlichen Aktes gerichtet ist. Damit ist die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG gegeben.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 10.06.2021 aufgehoben. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist zulässig.

Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Beschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten wenden sich mit ihren Beschwerden gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Dortmund, das das Klageverfahren an das Amtsgericht Dortmund verwiesen hat.

Der 1962 geborene Kläger bezog im Jahr 2018 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Jobcenter E. Zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers erstellte der Beklagte, Facharzt für Arbeits- und Allgemeinmedizin, im Auftrag des Jobcenters eine sozialmedizinische Stellungnahme vom 10.08.2018 und kam darin zur Einschätzung, dass der Kläger nicht über sechs Monate erwerbsunfähig sei.

Am 24.09.2018 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Dortmund gegen das "Jobcenter E, Berufsförderungswerk" mit dem "Ziel Aufhebung des Bescheids sog Beurteilung vom 10.8.18 und Neubescheidung der sog AU: unbefristet" Klage erhoben. Vom Sozialgericht darauf hingewiesen, dass die sozialmedizinische Stellungnahme kein anfechtbarer Verwaltungsakt sei, hat der Kläger an seiner Klage festgehalten. Mit Beschluss vom 14.01.2019 hat das Sozialgericht Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt. Die sozialmedizinische Stellungnahme des Beklagten sei kein Verwaltungsakt, für eine Feststellungsklage fehle es an einem Feststellungsinteresse. Der Kläger sei nicht schutzlos. Er könne sich gegen Verwaltungsakte wenden, die auf der Grundlage der sozialmedizinischen Stellungnahme erlassen würden.

Nach einem Wechsel im Kammervorsitz hat sich der Kläger zu seinem Begehren in einem Erörterungstermin vom 25.08.2020 nach der hierüber gefertigten Sitzungsniederschrift wie folgt geäußert: "Klagen möchte ich gegen Herrn K vom Berufsförderungswerk E. Dieser hat eine Beurteilung vom 10.08.2018 an mir vorgenommen. Konkret gegen diese Beurteilung möchte ich vorgehen. Sollte dieses Vorgehen zur Folge haben, dass nun der Beklagte ausgetauscht werden muss, so bin ich damit einverstanden. Sollte dieses Vorgehen zur Folge haben, dass eine andere Kammer im Rahmen des Sozialgerichts zuständig ist für die Beurteilung dieser Klage, so bin ich auch mit diesem Vorgehen einverstanden". Im Nachgang zu dem Erörterungstermin hat das Sozialgericht den Kläger gebeten, einen Klageantrag gegen den Beklagten auszuformulieren. Zugleich hat es um Bezifferung eines ihm gegebenenfalls entstandenen Schadens gebeten.

Der Kläger hat daraufhin mitgeteilt, es gehe ihm um Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den Beklagten eine unbefristete Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe. Hierzu seien Sachbearbeiterinnen des Jobcenters zu hören. Er hat sich auf ein Gutachten von Herrn A nach Aktenlage berufen, wonach unbefristete Arbeitsunfähigkeit bestehe. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass es sich bei den Feststellungen des Beklagten um einen Verwaltungsakt handele, denn das Gutachten sei für ein von ihm geführtes Rentenverfahren bindend.

Das Sozialgericht hat dargelegt, die sozialmedizinische Stellungnahme des Beklagten habe sich durch die nachfolgende Feststellung unbefristeter Arbeitsunfähigkeit im Rechtssinne "erledigt". Der Kläger möge konkret darlegen, warum er gleichwohl eine Feststellung beantrage.

Das Jobcenter E, zu diesem Zeitpunkt vom Sozialgericht als Beklagter geführt, hat die Rechtsauffassung vertreten, eine Zuständigkeit des Sozialgerichts sei nicht erkennbar. Vielmehr habe der Kläger im Erörterungstermin vom 25.08.2020 ausgeführt, er wolle gegen den Beklagten vorgehen.

Das Sozialgericht hat den Kläger sodann darauf hingewiesen, dass die Klage nach derzeitiger Prüfung der Sach- und Rechtslage unzulässig sein dürfte, denn für eine reine Feststellungsklage sei das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht ersichtlich. Das Gericht erwarte nunmehr eine konkrete Beschreibung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses oder aber eine Klagerücknahme. Ansonsten werde das Verfahren an das zuständige Zivilgericht verwiesen. Zugleich hat das Sozialgericht eine Änderung des Rubrums verfügt und den jetzigen Beklagten anstelle des Jobcenters E als Beklagten auf...

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