Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsanwaltsvergütung: Ermittlung einer Verfahrensgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren bei vorangegangener Tätigkeit im Sozialverwaltungsverfahren. Besetzung der Kammer im Beschwerdeverfahren über eine Rechtsanwaltsvergütung

 

Orientierungssatz

1. Hat ein Rechtsanwalt vor Beginn des sozialgerichtlichen Verfahrens den Mandanten bereits im Widerspruchsverfahren vertreten, so ist die ihm zustehende Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV zum RVG zu ermitteln, da dieser Gebührentatbestand eine vorrangige Sonderregelung zur Nr. 3102 VV zum RVG darstellt (Anschluss LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 16.12.2009, Az.: L 19 AS 180/09 B). Dabei kommt die Anrechnungsvorschrift aus § 15a RVG nicht, auch nicht entsprechend, zur Anwendung, da im Rahmen der Nr. 3103 VV zum RVG nicht eine Anrechnung einer anderen Gebühr stattfindet, sondern lediglich ein bestimmter Gebührenrahmen definiert wird (Anschluss LSG Thüringen, Beschluss vom 04.03.2011, Az.: L 6 SF 184/11 B).

2. Über die Beschwerde entscheidet der Senat und nicht der Senatsvorsitzende.

3. Einzelfall zur Ermittlung einer der Billigkeit entsprechenden Verfahrens- und Terminsgebühr für einen Rechtsanwalt im Rahmen eines Rechtsstreits über die Absenkung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 24.03.2010 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I. Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der von der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung streitig.

Durch Bescheid vom 05.02.2009 senkte die Beklagte das Arbeitslosengeld II der Klägerin für die Zeit vom 01.03. bis 31.05.2009 um monatlich 32,00 EUR ab. Hiergegen legte die Klägerin, vertreten durch den Beschwerdeführer, Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2009 zurückwies.

Hiergegen erhob die Klägerin am 15.05.2009 Klage.

Durch Beschluss vom 30.06.2009 bewilligte das Sozialgericht Aachen der Klägerin Prozesskostenhilfe und ordnete den Beschwerdeführer bei. In der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2009 nahm die Klägerin die Klage zurück.

Der Beschwerdeführer hat beantragt, seine Vergütung aus der Staatskasse auf 581,91 EUR festzusetzen und zwar i.H.v.

Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR

Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR

Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR

Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 VV RVG 19,00 EUR

19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 92,91 EUR.

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat die Vergütung am 23.11.2009 auf 486,71 EUR festgesetzt und zwar i.H.v.

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3103 VV RVG 170,00 EUR

Terminsgebühr gemäß. Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR

Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR

Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 VV RVG 19,00 EUR

19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV RVG 77,71 EUR.

Die nach Nr. 3102 VV RVG mit 250,00 EUR angesetzte anwaltliche Verfahrensgebühr sei unzutreffend und daher in die zutreffende Gebühr nach Nr. 3103 VV RVG abzuändern.

Gegen den Ansatz einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt. Er hat die Auffassung vertreten, dass der Beschwerdegegner sich nach der Neuregelung des § 15 a Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) auf eine Gebührenanrechnung nach Nr. 3103 VV RVG wegen seiner vorgerichtlichen Tätigkeit im Widerspruchsverfahren nicht mehr berufen könne.

Der Beschwerdegegner hat die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 15 a RVG einen anderen Sachverhalt, nämlich die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf eine Verfahrensgebühr betreffe. § 15 a RVG finde keine Anwendung.

Durch Beschluss vom 24.03.2010 hat das Sozialgericht Aachen die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Gegen den am 29.03.2010 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 19.04.2010 Beschwerde eingelegt.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Der Beschwerdeführer verfolgt sein Begehren weiter.

II. Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht durch den Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 HS. 2 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG), auch wenn der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. § 33 Abs. 8 Satz 1 HS. 2 RVG, wonach auch über die Beschwerde der Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, selbst wenn die angefochtene Entscheidung durch den Kammervorsitzenden allein ergangen ist. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG weist die Entscheidung dem Einzelrichter als Mitglied des Gerichts zu. Der Kammervorsitzende des Sozialgerichts entscheidet nicht als einzelnes Mitglied der Kammer, sondern als Kammer in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter, denn diese wirken gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit....

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