Entscheidungsstichwort (Thema)

Höhe der Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutzverfahren bei Vorbefassung des Rechtsanwalts

 

Orientierungssatz

1. Der geminderte Gebührenrahmen der Sondervorschrift der Nr. 3103 VV RVG gegenüber dem Gebührentatbestand der Nr. 3102 VV RVG trägt dem typisierend anzunehmenden Umstand Rechnung, dass bei Vorbefassung des Rechtsanwalts in einem dem Klageverfahren vorausgegangenen Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren ein Synergieeffekt auftritt, der sich in einer Verringerung des Energieaufwands und der Schwierigkeit im nachfolgenden Verfahren niederschlägt.

2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist über die im vorausgehenden Verwaltungsverfahren streitgegenständliche Frage des materiell-rechtlichen Anspruchs hinaus zusätzlich die Auseinandersetzung damit erforderlich, ob ein Anordnungsgrund i. S. der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung vorliegt. Wird die Herstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels begehrt, kommt die erforderliche Interessenabwägung hinzu.

3. Weil damit das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen vom vorausgehenden Verwaltungsverfahren abweichenden Streitgegenstand aufweist, ist die typisierend zugrundegelegte Erwartung eines Synergieeffektes regelmäßig nicht gerechtfertigt. Der Gebührenrahmen für die Verfahrensgebühr im einstweiligen Rechtsschutz ist daher der Nr. 3102 VV RVG zu entnehmen.

4. Die Bemessung der Gebühr hat im konkreten Einzelfall unter Abwägung der fünf Kriterien des § 14 RVG zu erfolgen. Regelmäßig ist eine Verfahrensgebühr in Höhe von 170.- €. im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gerechtfertigt.

 

Tenor

Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 16.11.2011 wird zurückgewiesen. Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der von der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung streitig.

Die Antragstellerin, mazedonische Staatsangehörige, ist nach den Angaben ihres Ehemannes am Tage ihrer Eheschließung, dem 00.10.2010, zu diesem gezogen.

Mit Änderungsbescheid vom 22.10.2010 bewilligte der Antragsgegner dem Ehepartner der Antragstellerin nur noch Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Monat November 2011 unter Berücksichtigung der Hälfte der Kosten der Kosten für Unterkunft und Heizung und Heizung in Höhe von 582,40 EUR. Hiergegen legte die Antragstellerin, vertreten durch den Beschwerdeführer, mit Schreiben vom 10.11.2010 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 10.11.2010 bewilligte der Antragsgegner dem Ehegatten der Antragstellerin für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 582,40 EUR.

Am 01.12.2010 stellte die Antragstellerin, vertreten durch den Beschwerdeführer, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht. Mit Beschluss vom 05.01.2011 hat das Sozialgericht den Antragsgegner verpflichtet, der Antragstellerin Sozialgeld in Höhe von monatlich 323,00 EUR vorläufig für die Zeit vom 01.12.2010 bis 30.01.2011 zu zahlen, und im Übrigen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat den Antragsgegner überdies verpflichtet, die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin dem Grunde nach zu 60% zu übernehmen. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag hat das Sozialgericht der Antragstellerin Prozesskostenhilfe bewilligt und den Beschwerdeführer beigeordnet.

Am 11.01.2011 hat der Beschwerdeführer beantragt, seine Vergütung aus der Staatskasse auf 321,30 EUR festzusetzen und zwar in Höhe von:

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG

 250,00 EUR

Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG

51,30 EUR

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Gebühren am 12.01.2011 auf 226,10 EUR festgesetzt und zwar in Höhe von

Verfahrensgebühr gem. Nr. 3103 VV RVG

170,00 EUR

Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG

20,00 EUR

19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG

36,10 EUR.

Hiervon habe der Antragsgegner entsprechend der Kostengrundentscheidung 60% zu tragen. Die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3103 VV RVG zu ermitteln, da der Beschwerdeführer in der Sache bereits ein Widerspruchsverfahren durchgeführt habe.

Gegen die Ermittlung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG hat der Beschwerdeführer am 07.02.2011 Erinnerung eingelegt.

Durch Beschluss vom 16.11.2011 hat das Sozialgericht die Erinnerung des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen.

Gegen den am 26.01.2012 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 08.02.2012 Beschwerde eingelegt. Er begehrt weiterhin die Festsetzung einer Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr nach Nr. 3102 VV RVG.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Über die Beschwerde entscheidet der Senat in d...

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