Orientierungssatz

1. Bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für eine Bedarfsgemeinschaft ist auf den Bedarf in dem betreffenden Monat zugeflossenes Überbrückungsgeld als Einkommen nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB 2 anzurechnen, auch wenn dieses für den Vormonat bestimmt war.

2. Überbrückungsgeld nach § 57 Abs. 1 SGB 3 dient ebenso wie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts der sozialen Sicherung und deswegen nicht nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB 2 als zweckbestimmte Einnahme von der Anrechnung ausgeschlossen.

3. Für die Anrechnung von Einkommen auf den Bedarf bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ist nicht auf die Zweckbestimmung einer Leistung abzustellen, sondern auf den Zufluss, denn nach ständiger Rechtsprechung der oberen Bundesgerichte gilt die Zuflusstheorie und nicht die Zeitraumidentität.

4. Ob eine Bedarfsgemeinschaft eine im streitigen Monat zugeflossene Leistung für den Vormonat verplant hatte, ist abgesehen davon dann unerheblich, wenn Verbindlichkeiten, etwa für die Bedienung von Geschäftskonten, getilgt werden sollten, da dazu mit Steuern finanzierte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht bestimmt sind.

 

Tenor

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 28.09.2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Kläger nehmen die Beklagte auf Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) für den Monat Februar 2006 in Anspruch.

Der 1954 geborene Kläger zu 1) bewohnt gemeinsam mit seinem Sohn, dem am 00.00.1990 geborenen Kläger zu 2), der eine allgemeinbildende Schule besucht und kein Einkommen erzielt, eine Wohnung in B. Die Kosten der Unterkunft und Heizung belaufen sich auf monatlich 600,00 Euro (Grundmiete: 495,00 Euro, Betriebskostenvorauszahlung: 85,00 Euro, Heizkostenvorauszahlung: 20,00 Euro).

Arbeitslosengeld bezog der Kläger zu 1) zuletzt in der Zeit vom 28.05.2003 bis 11.12.2003. Ihm wurde im Zusammenhang mit der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit von der Bundesagentur für Arbeit für die Zeit vom 04.08.2005 bis 03.02.2006 Überbrückungsgeld nach § 57 des Dritten Buch des Sozialgesetzbuches bewilligt (Bescheid vom 08.11.2005). Der monatliche Zahlbetrag belief sich auf 1.959,42 Euro. Die Zahlung für die Zeit vom 04.01.2006 bis 03.02.2006 wurde dem Konto des Klägers zu 1) am 03.02.2006 gut geschrieben. Die selbständige Tätigkeit wurde vom Kläger zu 1) seit der Meldung bei der Beklagten als arbeitsuchend nicht mehr ausgeübt.

Ende Januar 2006 meldete sich der Kläger zu 1) bei der Beklagten arbeitsuchend und beantragte die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Beklagte bewilligte den Klägern daraufhin zunächst für die Zeit ab 01.03.2006 einen Betrag von 467,00 Euro monatlich (Bescheid vom 20.03.2006) und sodann ab 01.03.2006 einen Betrag in Höhe von 1.067,00 Euro (Änderungsbescheid vom 28.03.2006). Hierzu führte die Beklagte aus, dass die Bewilligung ab 01.03.2006 erfolge, da vor dem Hintergrund, dass dem Kläger zu 1) im Februar 2006 letztmalig Überbrückungsgeld in Höhe von 1.959,42 Euro zugeflossen sei, Hilfebedürftigkeit nicht gegeben sei.

Mit dem Widerspruch machten die Kläger geltend, dass bereits für die Zeit ab 04.02.2006 Bedürftigkeit bei ihnen eingetreten sei. Die Bundesagentur für Arbeit habe das Überbrückungsgeld nachschüssig gezahlt. Es sei bereits vollständig für Kosten aus dem Vormonat, unter anderem die Klassenfahrt des Klägers zu 2), ausstehende Beiträge zur Krankenversicherung, Kosten der Selbständigkeit (Mieten, Kfz-Kosten) verplant gewesen. Somit habe das Überbrückungsgeld nicht für den Bedarf des Folgemonats zur Verfügung gestanden.

Den Widerspruch wies die Beklagte zurück; dazu führte sie im Wesentlichen aus, dass die Auszahlung des Überbrückungsgeldes zu Beginn des Monats Februar 2006 erfolgt sei und eine Berücksichtigung dieses Einkommenszuflusses daher zulässigerweise ab diesem Zeitpunkt vorgenommen worden sei. Der maßgebliche Bedarf sei folglich für den Monat Februar 2006 als gedeckt anzusehen gewesen (Widerspruchsbescheid vom 27.04.2006).

Die Kläger haben mit der am 05.05.2006 erhobenen Klage daran festgehalten, dass das am 04.02.2006 eingegangene Überbrückungsgeld für den Monat Januar 2006 bestimmt gewesen sei und vor diesem Hintergrund nicht bedarfsmindernd im Februar 2006 berücksichtigt werden könne. Mit dem Überbrückungsgeld seien den Kläger zu 1) betreffende Rechnungen aus der selbständigen Tätigkeit für den Monat Januar 2006 zu begleichen gewesen, so dass nicht nachzuvollziehen sei, inwiefern die Kläger noch die Aufwendungen für den Monat Februar 2006 hätten bestreiten können.

Die Kläger haben beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 20.03.2006, vom 28.03.2006 und des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2006 zu verurteilen, Leistungen nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen auch für den Monat Febru...

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