Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung des SGB 2

 

Orientierungssatz

1. Das Prozesskostenhilfe-Verfahren will den Rechtsschutz nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der PKH vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptverfahrens treten zu lassen. Deshalb muss sich das Gericht mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussicht begnügen.

2. Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Höhe der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB 2.

3. Ebenso ist das in § 20 Abs. 4 SGB 2 vorgesehene Verfahren der Anpassung der Regelleistung, welches sich am Renteneckwert orientiert, dem Grunde nach verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

4. Die Höhe der Regelleistung des § 20 Abs. 2 SGB 2 verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Während der Bezieher der höheren Sozialhilfe sich grundsätzlich nicht mehr durch Erwerbstätigkeit selbst helfen kann, ist der Leistungsempfänger des SGB 2 als Erwerbsfähiger tatsächlich noch in der Lage, seinen Lebensunterhalt durch zusätzliche Aufnahme bezahlter Arbeit zu steigern.

 

Nachgehend

BVerfG (Beschluss vom 07.04.2010; Aktenzeichen 1 BvR 612/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.11.2009 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Kläger wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihr Klageverfahren, in dem die Höhe der seit dem 01.01.2005 gewährten Regelleistungen nach dem SGB II auf der Grundlage von § 44 SGB X zur Prüfung gestellt wird.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Sozialgericht die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des vertretenden Rechtsanwaltes abgelehnt mit der Begründung, angesichts des Angebotes der Beklagten, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Höhe der Regelleistungen ruhen zu lassen, würde ein bedürftiger Kläger, der die Prozesskosten aus eigener Tasche zu zahlen hätte, ein Klageverfahren nicht betreiben. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei daher mutwillig.

Gegen den am 16.11.2009 zugestellten Beschluss richtet sich die Beschwerde der Kläger. Sie äußern die Befürchtung, die Beklagte werde zwar den Ausgang der beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren betreffend die Höhe der Regelleistungen für Kinder, nicht jedoch den Ausgang des ausschließlich die Höhe der Regelleistungen für Erwachsene betreffenden Verfahrens 1 BvL 1/09 berücksichtigen. Nach der Begründung des Vorlagenbeschlusses zu diesem Verfahren sowie nach Gliederung und Durchführung der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts am 16.10.2009 bestünden begründete Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der bisherigen Höhe der Regelleistungen für Erwachsene nach dem SGB II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zur Überzeugung des Senats rechtfertigt die allein auf Zweifel an der verfassungsmäßigen Höhe der Leistungen für Erwachsene nach dem SGB II gestützte Rechtsverfolgung nicht die Annahme hinreichender Erfolgsaussicht im Sinne von §§ 73 a SGG, 114 ZPO.

Hierzu hat der Senat bereits mehrfach, u. a. im Beschluss vom 14.08.2009 - L 19 B 25/09 AS - Stellung genommen und hierbei auch ein beim Bundesverfassungsgericht anhängiges Verfahren betreffend die Höhe der Regelleistungen für Erwachsene - 1 BVR 1523/08 - berücksichtigt. Im Beschluss vom 14.08.2009 heißt es:

"Das Sozialgericht hat die hinreichende Aussicht auf Erfolg vorliegend zutreffend verneint. Die Prüfung der Erfolgsaussicht dient nicht dazu, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das Prozesskostenhilfeverfahren will den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern zugänglich machen. Deshalb darf und muss sich das Gericht mit einer vorläufigen Prüfung der Erfolgsaussichten begnügen (BVerfG Beschluss vom 07.05.1997 - 1 BvR 296/94 = NJW 1997, 2745). Der Erfolg braucht also nicht gewiss zu sein, er muss aber nach den bisherigen Umständen eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich haben. Prozesskostenhilfe kann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (BSG Beschluss vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R = SozR 3-1750 § 114 Nr. 5; BVerfG Beschluss vom 14.04.2003 - 1 BvR 1998/02 = NJW 2003, 296; BVerfG Beschluss vom 29.09.2004 - 1 BvR 1281/04 = NJW-RR 2005, 140). Ausgehend von seinem Sachvortrag wendet sich der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren vorrangig gegen die Höhe der bewilligten Regelleistung nach § 20 SGB II.

Die Beklagte hat die Regelleistung jedoch entsprechend den gesetzlichen Vorgaben nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SGB II i.d.F. ab dem 01.07.2008 (BGBl. I, 1102) für den Zeitraum vom 01.11.2008 bis zum 30.04.2009 zutreffend auf 351,00 EUR festgesetzt. Durchgreifende verfassungsr...

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