Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachforderung des Gesamtsozialversicherungsbeitrags nach dem equal-pay-Lohn-Prinzip

 

Orientierungssatz

1. Hat der Leiharbeitgeber seinen Arbeitnehmern geringere Löhne gezahlt, als vergleichbaren Arbeitnehmern  in den Betrieben der jeweiligen Entleiher  gezahlt wird, so sind die vom Arbeitgeber zu entrichtenden Beiträge nach dem Arbeitsentgelt zu berechnen, welches nach dem sog. equal-pay-Prinzip vergleichbaren Arbeitnehmern gezahlt wird.

2. Der Beitragsanspruch des Rentenversicherungsträgers entsteht, sobald der Arbeitsentgeltanspruch entstanden ist, und zwar selbst dann, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt nicht oder erst später gezahlt hat. Das Sozialversicherungsrecht folgt nicht dem Zuflussprinzip, sondern dem Entstehungsprinzip, vgl. BSG, Urteile vom 14. Juli 2004 - B 12 KR 1/04 R und vom 03. Juni 2009 - B 12 R 12/07 R.

3. Die Bindungswirkung eines Bescheides erfasst grundsätzlich nur dessen Verfügungssatz, nicht dagegen die Gründe, welche zu der Regelung geführt haben. Eine dahingehende Bindungswirkung eines Bescheides folgt auch nicht aus Sinn und Zweck einer Betriebsprüfung. Betriebsprüfungen haben nur Kontrollfunktion. Sie bezwecken nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen, vgl. BSG, Urteil vom 28. Juni 1990 - 7 Rar 22/90.

4. Vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjähren in dreißig Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Es reicht dabei aus, dass der Vorsatz zur Vorenthaltung der Beiträge bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten ist. Weiter genügt es, dass der Beitragsschuldner bedingt vorsätzlich gehandelt hat. Das ist dann der Fall, wenn er seine Beitragspflicht für möglich gehalten und die Nichtabführung der Beiträge billigend in Kauf genommen hat.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 26.4.2012 geändert. Der Antrag auf aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 2.1.2012 wird bezüglich des Zeitraums vom 1.12.2005 bis 31.1.2007 und bezüglich der Erhebung von Säumniszuschlägen abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.930,00 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin betreibt Arbeitnehmerüberlassung. Sie wehrt sich im einstweiligen Rechtsschutz gegen die Verpflichtung, Sozialversicherungsbeiträge nachzuzahlen.

Im Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.1.2007 beschäftigte die Antragstellerin Zeitarbeitnehmer, ohne in ihren Arbeitsverträgen auf einen Tarifvertrag zu verweisen. Ab dem 1.2.2007 vereinbarte sie einzelvertraglich die Geltung der zwischen der Tarifgemeinschaft Christliche Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) geschlossenen Tarifverträge.

Mit Bescheid vom 14.1.2008 setzte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund gegenüber der Antragstellerin im Anschluss an eine Betriebsprüfung betreffend den Zeitraum vom 1.1.2003 bis 31.12.2007 eine Nachforderung in Höhe von 3.213,20 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen von 236,00 Euro) fest. Zur Begründung führte die DRV Bund aus, die Antragstellerin habe den Lohnsteuerprüfbericht vom 19.3.2007 sozialversicherungsrechtlich nicht ausgewertet.

Mit Schreiben vom 23.12.2010 informierte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund die Antragstellerin über die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 14.12.2010 zur Tarifunfähigkeit der CGZP. In diesem Schreiben heißt es:

"Da eine schriftliche Entscheidungsbegründung noch nicht vorliegt, lässt sich derzeit nicht mit letzter Sicherheit sagen, wie die Frage der Rückwirkung dieser Entscheidung auf Beitragsansprüche, die seit Januar 2006 fällig geworden sind, zu beantworten ist. Um Schaden von den Sozialversicherungen abzuwenden, sehen wir uns deshalb verpflichtet, hiermit fristwahrend die Ansprüche auf entgangene Sozialversicherungsbeiträge noch im Jahr 2010 geltend zu machen.

Sie sind daher verpflichtet, selbständig unverzüglich zu überprüfen, welche Beitragspflichten und Meldepflichten im Nachgang zu diesem Urteil zu erfüllen sind."

Dem Schreiben beigefügt war die Pressemitteilung des BAG Nr. 93/10 betreffend die Entscheidung vom 14.12.2010. Darin findet sich u.a. der Satz:

"Nach § 9 Nr. 2 AÜG haben Leiharbeitnehmer während der Zeit ihrer Überlassung an einen Entleiher Anspruch auf die dort geltenden wesentlichen Arbeitsbedingungen. Von diesem Gleichbehandlungsgebot kann zu Lasten der Leiharbeitnehmer nur durch einen Tarifvertrag oder aufgrund vertraglicher Bezugnahme auf einen Tarifvertrag abgewichen werden."

Nach einer weiteren Betriebsprüfung machte die Antragsgegnerin eine Nachforderung von 29.648,19 Euro (einschließlich Säumniszuschlägen von 2.715,00 Euro) betreffend den Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.12.2009 geltend (Bescheid v. 2.1.2012). Zur Begründung führte sie aus, die Antragstellerin schulde für ...

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