Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfteilen. Mehrbedarf für behinderte Hilfebedürftige. abweichende Erbringung von Leistungen bei unabweisbarem Bedarf

 

Orientierungssatz

1. Leben Hilfebedürftige mit anderen Personen, die nicht zur Bedarfsgemeinschaft gehören, in Haushaltsgemeinschaft, so sind die Kosten für Unterkunft und Heizung der Bedarfsgemeinschaft grundsätzlich anteilig pro Kopf zu ermitteln.

2. Leben Mutter und Tochter in Haushaltsgemeinschaft, so wird die Haushaltsgemeinschaft nicht dadurch beseitigt, dass sich die Tochter ihm Rahmen ihres Studiums für Monate im Ausland aufhält, wenn davon auszugehen ist, dass sie nach ihrer Rückkehr wieder im Haushalt leben wird und die ausdrückliche Aufführung der Tochter im Mietvertrag als Mitmieterin für den Willen zu einer dauerhaften Wohngemeinschaft spricht.

3. Zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für einen Mehrbedarf nach § 21 Abs 4 SGB 2.

4. Ein unabweisbarer Bedarf iS von § 23 Abs 1 S 1 SGB 2 liegt nur dann vor, wenn es im Falle seiner Deckung zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bedarfe insgesamt kommt, die auch nicht durch Mittelumschichtung innerhalb der Regelleistung beseitigt bzw aufgefangen werden kann. Hiervon ist frühestens bei einer Bedarfsunterdeckung von 20 vH auszugehen (vgl LSG Darmstadt vom 11.4.2006 - L 9 AS 43/06 ER). Diese Grenze kann jedenfalls von den im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu erbringenden Zuzahlungen nicht erreicht werden.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 08.05.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt die vollständige Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Leistungen für Mehrbedarf beim Lebensunterhalt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die 55jährige, bei der Barmer Ersatzkasse pflichtversicherte Antragstellerin leidet insbesondere an Beschwerden der unteren Extremitäten mit der Notwendigkeit endoprothetischer Versorgungen. Sie ist mit einem Grad der Behinderung von 50 als Schwerbehinderte anerkannt. Am 01.10.2005 zog sie von L in die im ersten Geschoss des Hauses N Str. 00 in E gelegene Wohnung. Der Mietvertrag, den sie auf Mieterseite allein unterzeichnete, lautet auf sie und ihre Tochter T. Die Wohnung ist ca. 94 m2 groß und besteht aus drei Zimmern, Küche, Diele und Bad/WC. Der monatliche Mietzins beläuft sich auf insgesamt 690 EUR (495 EUR Grundmiete zuzüglich 195 EUR Betriebskostenvorauszahlung).

Am 01.10.2005 beantragte die Antragstellerin, u.a. unter Vorlage des Mietvertrages, bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Arbeitslosengeld II. Mit Schreiben vom 05.10.2005 forderte die Antragsgegnerin sie auf, sich kurzfristig um eine angemessene Wohnung zu bemühen bzw. anderweitig zur Reduzierung der Unterkunftskosten beizutragen. Ungeachtet dessen bewilligte sie der Antragstellerin Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 690 EUR , errechnet aus 345 EUR Regelleistung und 345 EUR anteiligen Kosten für Unterkunft und Heizung (Bescheid vom 05.10.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2006 sowie Bescheid vom 20.02.2006). Zur Begründung der nur anteiligen Übernahme der Unterkunftskosten führte sie aus, bei Haushaltsgemeinschaften seien diese Kosten nach der Kopfzahl der Wohnungsbewohner gleichmäßig aufzuteilen. Von ihrem Aufforderungsschreiben vom 05.10.2005 nahm die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 12.01.2006 im Verfahren S 31 AS 3/06 ER SG Duisburg vorerst Abstand.

Am 04.04.2006 hat die Antragstellerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme der vollen Unterkunftskosten in Höhe von weiteren 345 EUR monatlich sowie die Zahlung eines monatlichen Mehrbedarfs wegen Schwerbehinderung beantragt. Zur Begründung hat sie insbesondere ausgeführt, es sei unangemessen, die Unterkunftskosten nach Kopfzahlen aufzuteilen. Ihre Tochter T habe bis zum 30.09.2005 in einem Studentenwohnheim gewohnt, wo monatliche Gesamtkosten von 175,50 EUR angefallen seien. Sie sei ausschließlich deshalb zu ihr, der Antragstellerin, gezogen, um sie im Hinblick auf die anstehenden Operationen und die anschließende Pflegedürftigkeit versorgen zu können. Tatsächlich habe ihre Tochter in der Wohnung auch nur einen Anteil von 20 m2 bewohnt. Dabei sei zwischen ihr, der Antragstellerin, und ihrer Tochter immer klar gewesen, dass die Tochter maximal im Rahmen ihrer bisherigen Aufwendungen für die Unterkunft in der neuen Wohnung herangezogen werde. In der Zeit vom 29.03. bis zum 31.12.2006 bewohne sie, die Antragstellerin, die Wohnung nunmehr allein, da sich ihre Tochter in dieser Zeit zur Ableistung des Praxissemesters im Rahmen ihres Studiums der Ostasienwissenschaft ein halbes Jahr in L und zwecks anschließenden dreimonatigen Praktikums beim deutschen Generalkonsulat in P befinde. Im Übrigen sei die Haltung der Antragsgegnerin auch deshalb unverständlich, weil die Gesamtkosten für sie bis zum 31.05.20...

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