Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen Sanktionsbescheid wegen Verstoßes gegen Pflicht aus einer Eingliederungsvereinbarung. Analogie. Anordnung der sofortigen Vollziehung. Eingliederungsverwaltungsakt. Integrationsmaßnahme. Sanktion. aufschiebende Wirkung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Verwaltungsakt, der gemäß § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt, fällt nicht unter § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG.

2. Verstößt der Hilfebedürftige gegen eine Pflicht, die die Behörde in einem Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II geregelt hat, kann die Behörde das Arbeitslosengeld II nicht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II absenken, sondern allenfalls nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1c SGB II.

3. Ordnet die Behörde gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG die sofortige Vollziehung an, ist Maßstab für den einstweiligen Rechtsschutz § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG.

 

Orientierungssatz

1. Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat das Gericht eine Abwägung des Aussetzungsinteresses des Antragstellers, die Wirkung des angefochtenen Bescheides zunächst zu unterbinden, mit dem Vollzugsinteresse des Antragsgegners vorzunehmen. Die aufschiebende Wirkung ist anzuordnen, wenn mehr gegen als für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes spricht.

2. Das Arbeitslosengeld 2 wird nach § 31 Abs. 1 SGB 2 abgesenkt, wenn der Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen.

3. Ist die Pflicht zur Teilnahme an einer Integrationsmaßnahme nicht in der Eingliederungsvereinbarung selbst festgelegt worden, sondern in einem diese ersetzenden Verwaltungsakt, so erfüllt die Nichtaufnahme der angebotenen Integrationsmaßnahme nicht den Sanktionstatbestand des § 31 Abs. 1 Nr. 1 b SGB 2. In diesem Fall ist die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den ergangenen Sanktionsbescheid anzuordnen.

 

Normenkette

SGB II § 15 Abs. 1 Sätze 1, 6, § 31 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1b, 1c, Abs. 3 S. 2, § 39 Nr. 1; SGG § 86a Abs. 2 Nr. 5, § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 172 Abs. 1, 3 Nr. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 20.04.2008 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28.01.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2009 wird angeordnet. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin bezieht von der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Mit Bescheid vom 01.12.2008 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01. bis zum 30.06.2009.

Durch Verwaltungsakt vom 29.10.2008 erließ die Antragsgegnerin eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Durch den Verwaltungsakt sollte eine Eingliederungsvereinbarung ersetzt werden (sog. Eingliederungsverwaltungsakt). In Ziffer III regelte die Antragsgegnerin u. a., die Antragstellerin solle an der ganzheitlichen Integrationsmaßnahme (GanzIL) bei dem beauftragten Träger U GmbH, G, nach § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. §§ 37, 38 SGB III vom 19.11.2008 bis zum 18.08.2009 teilnehmen. Unter Ziffer IV ordnete sie die sofortige Vollziehung der Bestimmungen des Eingliederungsverwaltungsaktes nach § 86a Abs. 2 Nr. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an. Den gegen den Eingliederungsverwaltungsakt eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin durch Widerspruchsbescheid vom 12.01.2009 als unbegründet zurück. Hiergegen erhob die Antragstellerin am 19.01.2009 Klage vor dem Sozialgericht Köln, S 6 AS 12/09.

Am 19.11.2008 trat die Antragstellerin die Maßnahme GanzIL nicht an. Mit Schreiben vom 07.01.2009 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin hinsichtlich der Verhängung einer Sanktion nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II wegen der Nichtteilnahme an der Maßnahme an. Durch Bescheid vom 28.01.2009 senkte die Antragsgegnerin das Arbeitslosengeld II der Antragstellerin für die Zeit vom 01.02. bis zum 30.04.2009 in Höhe von 105,00 EUR monatlich wegen der Nichtteilnahme an der Maßnahme GanzIL unter Berufung auf § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b SGB II ab und hob die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung vom 01.12.2008 insoweit nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf. Mit weiterem Schreiben vom 03.02.2009 hörte die Antragsgegnerin die Antragstellerin hinsichtlich der Verhängung einer Sanktion nach § 31 Abs. 1 Nr.1b SGB II wegen der Verletzung der Verpflichtung aus der Eingliederungsvereinbarung - Nachweis von drei Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse monatlich - in der Zeit vom 16.12.2008 bis zum 15.01.2009 an. Mit Schreiben vom 14.02.2009 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die Bescheide vom 07.01.2009 und vom 03.02.2009 ein. Durch Widerspruchsbescheid vom 24.04.2009 verwarf die Antragsgegn...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge