Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Entstehens der Erledigungsgebühr

 

Orientierungssatz

1. Gegen die Entscheidung des Sozialgerichts über die Höhe der Rechtsanwaltsvergütung ist die Beschwerde statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200.- €. übersteigt. Beschwerdeführer ist nicht der Kläger selbst, sondern dessen Prozessbevollmächtigter.

2. Eine Erledigungsgebühr entsteht nach Nr. 1006 i. V. m. Nr. 1002 VV RVG, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsaktes durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt.

3. Allein die Annahme eines Anerkenntnisses stellt regelmäßig keine über die normale Prozessführung hinaus gehende qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung dar. Die Abgabe einer solchen Prozesserklärung wird mit der Verfahrensgebühr abgegolten.

 

Tenor

Die Beschwerde des Bevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 22.05.2009 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) für ein Klageverfahren.

Mit seiner am 04.10.2006 beim Sozialgericht (SG) Dortmund erhobenen Klage begehrte der Kläger die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mindestens 30 nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Der Beklagte unterbreitete mit Schreiben vom 06.03.2008 einen "Regelungsvorschlag", in dem er sich bereit erklärte, einen GdB von 30 ab Antragstellung festzustellen. Dieses Regelungsangebot nahm der Kläger mit Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 07.04.2008 an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.

Mit Schreiben vom 07.04.2008 hat der Bevollmächtigte des Klägers folgende Vergütungsfestsetzung beantragt:

Verfahrensgebühr Nr. 3103, 3102 VV/RVG: 170,00 EUR

Terminsgebühr Nr. 3106 VV/RVG 200,00 EUR

Einigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV/RVG 190,00 EUR

Auslagenpauschale Nr. 7002 VV/RVG 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 110,20 EUR

Gesamtbetrag: 690,20 EUR

Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat am 04.06.2008 die zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 464,10 EUR festgesetzt; nicht berücksichtigt hat er die Einigungsgebühr nach Nr. 1006, 1005 VV/RVG.

Der Antragsteller hat gegen diese Entscheidung mit Schreiben vom 11.06.2008 Erinnerung eingelegt und ausgeführt, hier sei nicht die Einigungsgebühr, sondern die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 VV/RVG entstanden. Die dafür erforderliche anwaltliche Mitwirkung liege darin, dass er für den Kläger mit Schriftsatz vom 07.04.2008 das Regelungsangebot der Beklagten angenommen habe; erst dadurch sei die Erledigung des Rechtsstreits eingetreten.

Mit Beschluss vom 22.05.2009 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückgewiesen. Es seien weder die Voraussetzungen für eine Einigungs- noch für eine Erledigungsgebühr erfüllt. Eine Einigungsgebühr könne bei einem vollständigen Anerkenntnis nicht anfallen. Für eine Erledigungsgebühr fehle es an einer qualifizierten Mitwirkungshandlung des Bevollmächtigten des Klägers.

Gegen diese am 18.06.2009 zugestellte Entscheidung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 19.06.2009 Beschwerde eingelegt und sein Begehren unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Sächsischen Landessozialgerichts (LSG) vom 30.07.2008 - L 6 B 337/08 AS-KO weiter verfolgt.

Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit des Landes Nordrhein-Westfalen hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht durch den Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 HS. 2 RVG, auch wenn der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. § 33 Abs. 8 Satz 1 HS. 2 RVG, wonach auch über die Beschwerde der Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, selbst wenn die angefochtene Entscheidung durch den Kammervorsitzenden allein ergangen ist. § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG weist die Entscheidung dem Einzelrichter als Mitglied des Gerichts zu. Der Kammervorsitzende des Sozialgerichts entscheidet nicht als einzelnes Mitglied der Kammer, sondern als Kammer in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter, denn diese wirken gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bei Beschlüssen außerhalb der mündlichen Verhandlung nicht mit. Die Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist daher keine Einzelrichterentscheidung im Sinne des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG (vgl. LSG NRW Beschluss vom 28.05.2010 - L 19 B 286/09 AS m.w.N.; a.A. ...

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