Nachgehend

BSG (Urteil vom 11.12.2002; Aktenzeichen B 5 RJ 20/02 R)

BSG (Urteil vom 06.06.2002; Aktenzeichen B 3 KR 5/02 R)

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 10. Februar 2000 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen

Kosten - beider Rechtszüge - sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der Regelaltersrente der Klägerin, insbesondere die Bewertung von Kindererziehungszeiten (KEZ) für einen abgelaufenen Zeitraum.

Die 1925 geborene Klägerin ist verwitwet. Sie ist Mutter zweier am 15. Dezember 1949 und am 7. Mai 1964 geborenen Kinder. Während des ersten Lebensjahres der im Jahre 1949 geborenen Tochter I. entrichtete die Klägerin freiwillige Beiträge. Während des ersten Lebensjahres ihres 1964 geborenen Sohnes J. weist das Versicherungskonto der Klägerin vom 1. Juni 1964 bis 2. Juli 1964 keine Beiträge auf, während für die Zeiträume vom 3. Juli 1964 bis 30. April 1965 Pflichtbeiträge und vom 1. Mai 1965 bis zum 31. Mai 1965 freiwillige Beiträge gespeichert sind.

Mit Bescheid vom 16. Februar 1990 gewährte die Beklagte der Klägerin Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres ab 1. März 1990. Bei der Berechnung der Rente erhöhte sie die durch Beiträge erworbenen Werteinheiten auf den Mindestwert von monatlich 6,25 Werteinheiten nur für die KEZ bis zum 31. Dezember 1964.

Nach Verkündung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (RRG) vom 16.12.1997 (BGBl. I, 2998 - RRG 1999) wurde die Klägerin am 10. Juli 1998 bei der Beklagten vorstellig und machte geltend, bereits direkt nach Erhalt des Rentenbescheides sowie im Jahre 1996 in der dortigen Auskunfts- und Beratungsstelle gewesen zu sein. Schon damals habe sie gerügt, dass hier keine volle Anrechnung beim Zusammentreffen von KEZ und Beitragszeiten stattgefunden habe. Bei beiden Vorsprachen sei ihr geraten worden, keinen Widerspruch einzulegen, weil eine Anrechnung automatisch erfolgen würde, wenn sie gesetzlich vorgeschrieben werde. Im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches stehe ihr eine höhere Rente mit Wirkung vom 1. März 1990 zu. Beitragszeiten und KEZ müssten rückwirkend additiv angerechnet werden. Das lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Januar 1999  für Rentenbezugszeiten vor dem 1. Juli 1998 ab. Der neu eingeführte § 307 d des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) gelte grundsätzlich erst ab 1. Juli 1998. Ausnahmsweise sei eine Neuberechnung mit Wirkung vom 1. Januar 1996 möglich, wenn der Rentenbewilligungsbescheid zum Stichtag 27. Juni 1996 noch nicht bindend gewesen sei. Dieser Ausnahmefall liege jedoch bei der Klägerin nicht vor. Auch eine Falschberatung könne nicht angenommen werden. Es sei weder 1990 noch 1996 voraussehbar gewesen, dass der Gesetzgeber die Rückwirkung der Neuregelung an eine Stichtagsregelung knüpfen werde. Auch im Falle eines Widerspruchs- und Klageverfahrens gegen den Bescheid vom 16. Februar 1990 wäre ein solches Verfahren bis zum Stichtag 27. Juni 1996 rechtskräftig abgeschlossen gewesen. Ein 1996 eingelegter Widerspruch wäre mangels Fristablauf unzulässig gewesen und hätte deshalb ebenso wenig wie ein Neufeststellungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X) die Bindungswirkung des Bescheides vom 16. Februar 1990 tangiert.

Im Vorverfahren hat die Klägerin ihr Erhöhungsbegehren für die Rentenbezugszeiten vor Juli 1998 erfolglos weiterverfolgt (Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 1999).

Auch im Klageverfahren machte die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg weiterhin geltend, auf Grund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches bereits ab Beginn ihrer Altersrente besser gestellt werden zu müssen.

Mit Urteil vom 10. Februar 2000 gab das SG Oldenburg der Klage teilweise statt. Die Klägerin habe für den Rentenbezugszeitraum vom 1. Januar 1994 bis 30. Juni 1998 Anspruch auf volle Anrechnung der KEZ, die mit beitragsbelegten Zeiten zusammenträfen. Der davor liegende Rentenbezugszeitraum unterfalle der vierjährigen Verjährung gemäß § 44 Abs. 4 SGB X. Einen  sozialrechtlichen Herstellungsanspruch habe die Klägerin zwar nicht, denn nach ihren Einlassungen in der mündlichen Verhandlung und dem entsprechenden schriftsätzlichen Vortrag lasse sich ein Beratungsfehler der Beklagten in den Jahren 1990 bzw. 1996 in Ansehung der damaligen Rechtslage nicht erkennen. Ihre KEZ seien aber nach § 44 SGB X höher zu bewerten. Der Rentenbescheid vom 16. Februar 1990 erweise sich nämlich als rechtswidrig und die Vorschrift sei auf bestandskräftige Rentenbescheide anwendbar. § 307 d SGB VI stünde dem nicht entgegen. Diese Vorschrift habe einen § 44 SGB X ergänzenden Regelungsgehalt. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) habe die einschlägige Vorschrift des § 1255 Abs. 5 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) für unvereinbar mit dem Grundgesetz (GG) erklärt (BVerfGE 94, 241 ff.). Der auf der genannten Regelung alten Rechts beruhende Rentenbescheid müsse nach der Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG)  als von A...

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