Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Verletztenrente. Einfrieren der Leistung. Feststellung der Rechtswidrigkeit eines begünstigenden Bescheides. Beweisanforderung. Kausalzusammenhang. Hautkrankheit. Frisörin

 

Orientierungssatz

1. § 48 Abs 3 SGB 10 ist ein Auffangtatbestand zu § 45 SGB 10. Die Vorschrift greift immer dann ein, wenn die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung trotz Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen scheitert, weil zB das Vertrauen des Leistungsempfängers schutzwürdig erscheint. Demgemäß setzt die Entscheidung über das Einfrieren einer Leistung stets die Feststellung voraus, daß der Ursprungsbescheid rechtswidrig ist (vgl BSG vom 18.3.1997 - 2 RU 19/96 = SozR 3-1300 § 48 Nr 61 = BSGE 80, 119).

2. Die Feststellung der Rechtswidrigkeit des Anerkennungs- und Bewilligungsbescheides ist nicht schon dann statthaft, wenn der ursächliche Zusammenhang zwischen der Schädigung und der anerkannten Gesundheitsstörung bei nachträglicher Betrachtung als nicht hinreichend wahrscheinlich beurteilt wird. Vielmehr ist hierfür der Vollbeweis erforderlich, dh das Fehlen des Kausalzusammenhangs muß unzweifelhaft feststehen (vgl BSG vom 24.11.1988 - 9/9a RV 8/87 = SozR 1300 § 45 Nr 41 = BSGE 64, 190; BSG vom 27.10.1989 - 9 RV 40/88 = SozR 1300 § 45 Nr 49). Diese Beweisanforderungen gelten für die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 45 SGB 10 und entsprechend in einem Anwendungsfall des § 48 Abs 3 SGB 10.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Anerkennung einer Hauterkrankung der Klägerin als Berufskrankheit (BK) durch die Beklagte rechtswidrig war und sie aus diesem Grunde nunmehr berechtigt ist, die der Klägerin nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 25 vH bewilligte Verletztenrente auf einen Betrag von 363,80 DM einzufrieren.

Die Ende März 1963 geborene Klägerin durchlief von August 1981 bis Januar 1984 eine Ausbildung zur Friseuse und war sodann in diesem Beruf als Gesellin weiter erwerbstätig. Im Februar 1985 erstattete der Hautarzt der Klägerin K eine Anzeige über das Vorliegen einer BK. Er vertrat die Auffassung, das bei ihr vorliegende Ekzem sowie die Schwellungen im Augenbereich seien auf den Kontakt mit Berufsstoffen zurückzuführen. Der daraufhin beauftragte Arzt für Dermatologie/Allergologie Prof. Dr. P - Allergie- und Hautklinik N - führte in seinem Gutachten vom 14. März 1986 aus, es sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem bei ihr bestehenden allergischen Kontaktekzem und der ausgeübten Berufstätigkeit als Friseuse anzunehmen. Im Falle der Berufsaufgabe seien die Voraussetzungen für das Vorliegen einer entschädigungspflichtigen BK nach Nr. 5101 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) als erfüllt anzusehen. Die MdE sei auf 30 vH zu schätzen. Die Gewerbeärztin Frau Dr. G stimmte in ihrer Stellungnahme vom 10. Juli 1986 dem Gutachten mit Einschränkungen zu. Sie hielt die festgestellte Nickel- und Kobaltallergie für außerberuflich erworben und meinte, die MdE sei wahrscheinlich auf unter 20 vH zu schätzen. Sie empfahl außerdem eine Umschulung der Klägerin.

Die Klägerin gab daraufhin zum 1. April 1986 ihre Tätigkeit als Friseuse auf. Sie bezog sodann bis zum 31. März 1988 Verletztengeld von der Beklagten. Eine berufliche Rehabilitation (Reha) kam während dieses Zeitraumes nicht zustande. Zum 1. April 1988 nahm die Klägerin eine Tätigkeit als Zeitungsausträgerin auf.

Die Beklagte ließ die Klägerin in der Folgezeit von dem Arzt für Hautkrankheiten/Allergologie Priv.-Doz. Dr. R untersuchen. Dieser führte in seinem Gutachten vom 13. Juni 1989 aus, bei ihr sei zwischen berufsbezogenen und wahrscheinlich außerberuflich entstandenen Sensibilisierungen zu unterscheiden. Zu letzteren dürfte die Kobalt- und Nickelallergie zählen. Die Sensibilisierung gegenüber Haarfarben, Dauerwellenflüssigkeit, Haarfestigern, Augenbrauenfarben sowie den Stoffen Dodecylgallat und Cocamidopropylbetain sei mit Wahrscheinlichkeit auf die Berufstätigkeit als Friseuse zurückzuführen. Berufsbedingt habe sich auch eine Abnutzungsdermatose im Sinne des kumulativ-subtoxischen Ekzems entwickelt. Die Auswirkungen der Berufsdermatose schätze er mit einer MdE um 25 vH ein.

Die Beklagte erkannte daraufhin mit Bescheid vom 1. September 1989 ein allergisches Kontaktekzem sowie Überempfindlichkeiten gegenüber Haarfarben, Dauerwellenflüssigkeit, Haarfestigern, Augenbrauenfarben, Dodecylgallat und Cocamidopropylbetain sowie ein kumulativ-subtoxisches Kontaktekzem durch Exposition gegenüber Feuchtigkeit und hautaustrocknenden Friseursubstanzen als Folge einer BK gemäß Nr. 5101 der Anlage zur BKV an und bewilligte der Klägerin für die Zeit ab 1. April 1988 Verletztenrente nach einer MdE um 25 vH. Den hiergegen von der Klägerin eingelegten Widerspruch, der auch auf die Anerkennung der Nickel- und Kobaltallergie als BK-Folge gerichtet war, wies die Beklagte nach Einholung weiterer Gutachten der Hautärzte D...

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