Verfahrensgang
SG Kassel (Urteil vom 01.03.1994; Aktenzeichen S-3/U-507/90) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 1. März 1994 und der Bescheid der Beklagten vom 27. März 1990 abgeändert und festgestellt, daß die BK ein kumulativ toxisches und allergisches Kontaktekzem bei Sensibilisierung gegen Nickel, Ammoniumthioglycolat, Koloquintenextrakt, Ammoniumpersulfat und Glycerylmonothioglycolat zur Folge hatte. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beklagte u.a. eine Nickelallergie als Folge einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) anzuerkennen und der Klägerin Verletztenrente zu gewähren hat.
Die im Jahre 1965 geborene Klägerin durchlief vom 3. August 1982 bis 8. Juli 1985 im Friseursalon B. eine Ausbildung zur Friseuse. Vor Beginn der Ausbildung wurde sie am 21. April 1982 von Prof. Dr. P. Hautklinik der Städtischen Kliniken K., im Epicutantest auf Standardsubstanzen und Friseurstpffe getestet. Dabei kam es zu keinen positiven Reaktionen. Am 29. Juli 1982 erfolgte eine Erstuntersuchung nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz durch den praktischen Arzt Dr. H.. Dabei wurden keine Hautveränderungen bemerkt. 1983 wurden von Dr. H. erstmals Hauterscheinungen im gesamten Bereich der Hände und Unterarme, insbesondere im Bereich der Finger bzw. Interdigitalfalten, festgestellt. Vom 20. August bis 24. August 1984 und 3. September bis 8. September 1984 war die Klägerin deswegen arbeitsunfähig geschrieben. Die sie ab 20. August 1984 behandelnde Hautärztin Dr. L. führte am 21. August 1984, 3. September 1984, 1. Oktober 1984 und 23. Juli 1985 Testuntersuchungen mit mitgebrachten Substanzen sowie nach der Standardreihe u.a. Friseurstoffreihe durch und diagnostizierte ein allergisches Kontaktekzem beider Hände auf spezielle Berufsstoffe, Nickel, Kobalt und Neomycinsulfat bei atopischer Konstitution. Im Allergiepaß wurde der Klägerin eine Sensibilisierung gegen Ammoniumthioglycolat, Kloquintenextrakt sowie Ammoniumpersulfat bescheinigt. Wegen ständiger Intensivierung der Krankheitssymptome und immer kürzer werdender freier Intervalle gab die Klägerin auf ärztlichen Rat nach erfolgreich bestandender Gesellenprüfung den Beruf als Friseuse auf. Bei der letzten Untersuchung durch Frau Dr. L. am 26. Juli 1985 waren die Hauterscheinungen gut gebessert. Auch der Hausarzt Dr. H. stellte fest, daß kurz nach Aufgabe des Friseurberufs eine deutliche Verbesserung der Befunde eingetreten sei.
Noch während der Ausbildung zur Friseuse hatte der Ausbildungsbetrieb im September 1984 bei der Beklagten Anzeige wegen des Verdachts auf eine BK erstattet. Das schließlich unter dem 17. September 1986 erstellte hautfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. P. Städtische Kliniken K., kam zu dem Ergebnis, daß bei der Klägerin eine beruflich verursachte schwere Hauterkrankung in Form eines chronisch-rezidivierenden dyshidrosiformen allergischen Kontaktekzems bei polyvalenter Kontaktallergie auf viele friseurspezifische Berufsstoffe wie Shampoo, Dauerwellenflüssigkeit, Creme Oxidat, Haarspray und Fixierung sowie bei latenter (zur Zeit nicht nachgewiesener) Nickel-Kobalt-Allergie bestehe, die zur Aufgabe der schädigenden Tätigkeit im Friseurgewerbe im Juli 1985 gezwungen habe und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 25 v.H. verursache. Allergien auf Antibiotika seien wahrscheinlich außerberuflich erworben, ebenso eine diskrete atopische Konstitution. Zur Zeit seien Hände und Unterarme der Klägerin hauterscheinungsfrei. Bei weiterer strikter Allergenkarrenz sei mit einer wesentlichen Besserung der Erkrankungsfolgen zu rechnen. Eine Umschulung werde empfohlen. Der Landesgewerbearzt stimmte in seiner Stellungnahme vom 11. Dezember 1986 dieser Beurteilung insofern zu, als die frühere Hauterkrankung an den Händen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit berufsbedingt sei. Er äußerte jedoch Zweifel bezüglich der formalen Voraussetzungen für eine BK nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO (wiederholte Rückfälligkeit, schwerer Krankheitsverlauf) sowie hinsichtlich der MdE-Einschätzung von 25 v.H., und empfahl primär Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation im Rahmen des § 3 BKVO.
Mit förmlichem Bescheid vom 17. Januar 1987 erkannte die Beklagte die Hauterkrankung als BK nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKVO an und teilte der Klägerin mit, daß ein Anspruch auf Berufshilfe nach § 556 Reichsversicherungsordnung (RVO) bestehe. Zu dieser Zeit übte die Klägerin unter Aufrechterhaltung ihres Rehabilitationsantrags bereits seit 22. Juli 1985 im Rahmen von Urlaubsvertretungen und Saisonarbeitsverträgen eine Tätigkeit als Packerin bei der Firma B. D. – einer Waffelfabrik – aus. Vom Betriebsarzt Dr. T. waren hiergegen laut Bescheinigung vom 2. April 1986 ärztlicherseits keine Einwendungen erhoben worden. Währ...