Entscheidungsstichwort (Thema)

gesetzlichen Unfallversicherung. Hinterbliebenenrente. Berufskrankheit. Todesursache. widerlegbare Vermutung. Offenkundigkeit. Obduktion bzw Exhumierung. kein Beweisverwertungsverbot

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Tod eines Versicherten ist offenkundig nicht wesentlich durch eine Berufskrankheit (BK) verursacht, wenn die Todesursache von einem Organ ausgeht, das durch die BK - hier BKVO Anl 1 Nr 4104 - nicht betroffen ist.

2. Die Vermutung des § 63 Abs 2 S 1 SGB 7 mit dem Verbot der Obduktion oder Exhumierung (§ 63 Abs 2 S 2 Halbs 2 SGB 7) greift nicht ein, wenn der Tod auch bei anerkannter BK nach BKVO Anl 1 Nr 4104 auf eine andere Erkrankung zurückzuführen ist (vgl auch BSG vom 15.2.2005 - B 2 U 3/04 R = BSGE 94, 149).

3. Haben Hinterbliebene einer Obduktion freiwillig zugestimmt, so ist grundsätzlich auch deren Ergebnis verwertbar (vgl LSG Essen vom 6.8.2003 - L 17 U 245/02 = NZS 2004, 655).

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 22. Oktober 2003 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen.

Die Berufungsbeklagte ist die Witwe des Versicherten C. (im Folgenden H. genannt). Dieser erkrankte im März 1991 an einem Adenokarzinom und im Jahre 1996 im Bereich der Lunge an einem Plattenepithel-Karzinom. Letzteres wurde am 14. März 1996 mittels einer linksseitigen Unterlappenresektion behandelt. Anfang 1997 erkrankte H. darüber hinaus an einem Oropharynx-Karzinom (Mund-/Rachenraum) unter Befall der Gaumenbogen, Mandeln und des rechten Zungengrundes.

Nach Durchführung von Ermittlungen erkannte die beklagte Berufsgenossenschaft mit Bescheid vom 25. November 1997 unter Zugrundelegung eines Versicherungsfalls vom 05. Februar 1996 eine Berufskrankheit (BK) nach der Ziff. 4104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) an bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 %. Als Folgen der BK wurden anerkannt:

durch Asbeststaub verursachte Lungenkrebserkrankung mit entsprechenden subjektiven Beschwerden und Schonungsbedürftigkeit.

Nicht anerkannt wurden:

Zustand nach operativ behandeltem Oropharynx-Karzinom rechts (den Mund und Rachen betreffend),

Zustand nach Dünndarmteilresektion mit Ileostomie (künstlicher Darmausgang),

diabetische Stoffwechsellage (Eisenmangelanämie).

Als es 1999 zu einem Rezidiv des Oropharynx-Karzinoms gekommen war, führte der beratende Arzt der Berufungsklägerin, Dr. D., mit Stellungnahme vom 07. Juni 1999 u.a. aus, dass der Tumor im Rachenbereich erst nach der Lungenkrebsoperation festgestellt worden sei und kein Anhalt dafür vorliege, dass es sich um eine Metastase der Lungenkrebserkrankung handele. Hinweise auf eine berufliche Verursachung dieses Tumors lägen daher nicht vor. Auch der behandelnde Arzt, Dr. E., vom Diakoniekrankenhaus F., führte in seiner Stellungnahme vom 30. Dezember 1999 aus, dass die Entstehungsursachen des Tonsillen- und des Lungenkarzinoms grundsätzlich verschieden seien und es sich bei der jetzigen Erkrankung um keine Metastase der Lungenkrebserkrankung handele. Es deute vieles darauf hin, dass bei H. eine seltene individuelle Empfindlichkeit bezüglich einer Krebsentstehung bestehe. Eine berufliche Ursache sei nicht wahrscheinlich.

Nach einer vom 25. Juli 2000 bis 16. August 2000 durchgeführten stationären Behandlung des H. in der Knappschaftsklinik G. wurde dort mit Bericht vom 14. November 2000 ein ausgedehnter Tumor, welcher den Pharynx weitgehend stenosiert habe, beschrieben. H. verstarb am 12. Oktober 2000 im Pflegeheim in H.. Die den Tod feststellende Frau Dr. I. teilte der Berufungsklägerin gegenüber telefonisch mit, dass ihrer Meinung nach die Todesursache eine Anämie infolge der Tumorblutung gewesen sei. Auf weitere telefonische Anfrage in der HNO-Klinik H., bei Dr. J., wurde von diesem weiter mitgeteilt, dass das Pharynx-Karzinom bzw. Zungengrundkarzinom in keinem Zusammenhang mit dem Lungenkarzinom zu sehen sei. Die Entstehungsgenese sei eine völlig andere und es habe sich bei dem Zungengrund-CA um einen Primärtumor gehandelt. Eine Metastase des Lungen-CA sei daher nicht wahrscheinlich. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Bestattungsunternehmen wurde der Berufungsbeklagten über diesen eine vorformulierte Erklärung über die Zustimmung einer Obduktion des Verstorbenen übermittelt, da ansonsten eine Ablehnung von Hinterbliebenenleistungen ausgesprochen werden müsse. Die Berufungsbeklagte habe wohl schon im Vorfeld geäußert, dass sie einer Obduktion zustimmen würde. Am 11. Oktober 2000 hat die Berufungsbeklagte dann eine Erklärung unterschrieben, wonach sie sich damit einverstanden erklärt hat, dass die beklagte Berufsgenossenschaft eine Obduktion ihres verstorbenen Mannes veranlasst. Diese wurde dann im Pathologischen Institut des Diakoniekrankenhauses K. am 12. Oktober 2000 durch Dr. L. durchgeführt. Mit pathologischem Gutachten vom 08. Februar 2002 führten Prof. Dr....

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