Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Überprüfungsantrag nach Ausscheiden aus dem Leistungsbezug. Leistungen der Unterkunft und Heizung. Fortbestehen der Hilfebedürftigkeit kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal

 

Orientierungssatz

Die Überprüfung eines bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes gem § 44 Abs 1 S 1 SGB 10 (hier im Hinblick auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung gem § 22 SGB 2) erfolgt unabhängig davon, ob sich der Antragsteller noch im Leistungsbezug nach dem SGB 2 befindet.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.04.2017; Aktenzeichen B 4 AS 6/16 R)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis zum 31. Mai 2006 im Wege des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Streitig ist insbesondere, ob eine Überprüfung gemäß § 44 Abs 1 S 1 SGB X i.V.m. § 40 Abs 1 S 1 SGB II möglich ist, wenn sich der Antragsteller nicht mehr im Bezug von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II befindet.

Der Kläger zu 1. ist der Ehemann der Klägerin zu 2. Der Kläger zu 3. ist der gemeinsame Sohn. Die Kläger bilden eine Bedarfsgemeinschaft. Am 8. Oktober 2004 stellten sie beim Beklagten erstmalig einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Sie wohnten zur Miete in einer Wohnung, deren Eigentümerin und Vermieterin Frau N. O. war, die Schwester der Klägerin zu 2. Die Bruttokaltmiete (Kaltmiete inklusive Betriebskosten) betrug 595,- Euro. Außerdem zahlten die Kläger 50,- Euro an ihre Vermieterin für einen auf dem Grundstück befindlichen Stellplatz und 50,- Euro Heizkostenabschlag. Den Heizkostenabschlag haben die Kläger in der Regel mit gesonderter Überweisung an die Vermieterin entrichtet. Die Wohnung wurde zentral über die Heizungsanlage mit Warmwasser versorgt.

Mit Bescheid vom 4. November 2005 bewilligte der Beklagte den Klägern Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006. Hierbei berücksichtigte er als Kosten der Unterkunft (KdU) und Heizkosten insgesamt 610,- Euro. Am 16. Mai 2006 reichte die Klägerin zu 2. beim Beklagten eine hausärztliche Bescheinigung ein, wonach sie wegen Diabetes mellitus Typ IIb und Adipositas in Behandlung war. Daraufhin berücksichtigte der Beklagte wegen des Diabetes ab Mai 2006 einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung (Bescheid vom 17. Mai 2006). Gegen die vorgenannten Bescheide legten die Kläger keinen Widerspruch ein.

Am 14. Mai 2008 stellten die nunmehr durch ihren Prozessbevollmächtigten vertretenen Kläger einen Antrag nach § 44 SGB X auf Überprüfung der im Zeitraum Dezember 2005 bis Mai 2006 erfolgten Leistungsgewährungen. Die Kläger führten aus, ALG II sei in gesetzlicher Höhe zu zahlen, dies betreffe u.a. die Regelleistung. Mit Bescheid vom 14. Mai 2008 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Hiergegen legten die Kläger am 5. Juni 2008 Widerspruch ein. Sie führten aus, dass die KdU und Heizkosten aufgeschlüsselt werden müssten, um überprüfen zu können, ob die gesetzlichen/angemessenen Beträge übernommen worden seien. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2008 zurück und führte aus, dass er bereits die vollen KdU (560,- Euro) und Heizkosten (50,- Euro) übernommen habe. Lediglich die Kosten des Stellplatzes habe er nicht übernommen, weil diese nicht zu den notwendigen Kosten der Unterkunft gehörten.

Am 25. September 2008 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben (S 33 AS 2816/08), mit der sie für den Zeitraum Dezember 2005 bis Mai 2006 folgende weitere Leistungen begehrt haben: weitere KdU von insgesamt 85,- Euro monatlich abzüglich 80 % des Warmwasseranteils, 0,06 Euro höhere Regelleistung für den Kläger zu 3., für Mai 2006 4,40 Euro für die Klägerin zu 2. als weiteren Mehrbedarf.

Zum 1. Oktober 2010 sind die Kläger aus dem Leistungsbezug ausgeschieden. Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt, weil er aufgrund des Ausscheidens der Kläger aus dem Leistungsbezug eine Überprüfung nach § 44 SGB X für nicht mehr möglich erachtet.

Mit Urteil nach mündlicher Verhandlung vom 25. August 2011 hat das SG den Klägern für den Zeitraum 1. Dezember 2005 bis 31. Mai 2006 weitere KdU und Heizkosten zugesprochen: 36,36 Euro für den Kläger zu 1., 36,48 Euro für die Klägerin zu 2. und 47,58 Euro für den Kläger zu 3. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Das SG hat einen Anspruch nach § 44 SGB X bejaht ohne dass dem der - erst im Laufe des Klageverfahrens - eingetretene Wegfall der Hilfebedürftigkeit entgegenstehe. Inhaltlich hat es ausgeführt, dass für die Berechnung der zu übernehmenden KdU und Heizkosten im streitgegenständlichen Zeitraum von einem Betrag i.H.v. 645,- Euro auszuge...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge