Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistungen. Schuldnerberatung. kein Anspruch auf Abschluss einer Leistungsvereinbarung nach § 17 SGB 2. Ermessen des Grundsicherungsträgers. Geeignetheit eines Rechtsanwalts zur Schuldnerberatung. fehlende Gemeinnützigkeit als unzulässige Ermessenserwägung. keine Ermessensreduzierung auf Null

 

Leitsatz (amtlich)

Der Abschluss einer Leistungserbringervereinbarung über Schuldnerberatungsleistungen nach § 16a SGB 2 kann vom Träger der Grundsicherungsleistungen nicht mit dem Hinweis darauf abgelehnt werden, dass einem Rechtsanwalt das Merkmal der Gemeinnützigkeit fehle.

 

Orientierungssatz

Auch bei Vorhandensein geeigneter Einrichtungen bzw Dienste Dritter und Erfüllung der sonstigen Anforderungen des § 17 SGB 2 tritt keine Ermessensreduzierung auf Null ein. Damit steht potenziellen Bewerbern auch kein Anspruch auf Abschluss einer Vereinbarung zu.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 10.08.2016; Aktenzeichen B 14 AS 23/15 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 29. Januar 2013 wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 25. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2012 verurteilt, über das Begehren des Klägers auf Abschluss einer Vereinbarung über die Erbringung von Schuldnerberatungsleistungen nach § 16a SGB II unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Kläger und Beklagte tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte.

Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf 5.000 Euro festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger einen Anspruch auf Abschluss einer Leistungserbringervereinbarung mit der Beklagten und auf Aufnahme in die Liste der Schuldnerberatungsstellen nach § 16a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hat. Die Beklagte wendet sich gegen den stattgebenden Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 29. Januar 2013.

Der Kläger ist als Rechtsanwalt in Hannover niedergelassen. Am 4. Oktober 2011 teilte er der Beklagten mit, dass er von einer Liste über Schuldnerberatungsstellen, die bei der Beklagten geführt werde, Kenntnis erlangt habe. Neben den allgemein anerkannten Beratungsstellen befinde sich auch ein Kollege auf dieser Liste. Der Kläger beantragte unter Hinweis darauf, dass er seit dem Jahr 2003 Schuldnerberatungen durchführe, den Fachanwaltskurs für Insolvenzrecht mit Erfolg absolviert habe und laufend Schuldenbereinigungsverfahren und Hilfestellungen im Insolvenzverfahren durchführe, seine Aufnahme in die Liste der Schuldnerberatungsstellen. Die Beklagte wies den Antrag mit der Begründung ab, dass sie nach der von ihr erstellten Arbeitshilfe Kooperationsvereinbarungen über die Leistung Schuldnerberatung nach § 16 a SGB II grundsätzlich nur mit gemeinnützigen Stellen schließe. Außerdem sei die Anerkennung als Insolvenzberatungsstelle beim Niedersächsischen Landessozialamt erforderlich. Der Umstand, dass sich eine andere Anwaltskanzlei auf dieser Liste befinde, beruhe auf einem einmaligen Versehen. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2012 zurück.

Gegen den ihm am 21. Juli 2012 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 27. Juli 2012 Klage erhoben. Nach Durchführung eines Erörterungstermins am 11. September 2012 hat das SG die Beklagte mit Gerichtsbescheid vom 29. Januar 2013 unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Februar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2012 verpflichtet, den Kläger in die Liste der anerkannten Schuldnerberatungsstellen nach § 16a SGB II aufzunehmen. Es lägen die Voraussetzungen für eine Ermessensreduktion auf Null vor. Nach Nummer 5 der von der Beklagten als Verwaltungsvorschrift erstellten Arbeitshilfe könnten Juristinnen oder Juristen, die entweder eine mehrjährige Erfahrung in der Schuldnerberatung hätten oder eine Zusatzqualifikation “Schuldnerberatung„ aufwiesen, in die Liste aufgenommen werden. Der Kläger habe als Anwalt sowohl durch den abgeleisteten Fachanwaltslehrgang Insolvenzrecht die theoretischen Kenntnisse für die Schuldnerberatung als auch durch seine langjährige Tätigkeit das soziale Einfühlungsvermögen. Da der Kläger als Rechtsanwalt gemäß § 305 Abs. 1 Nr. 1 Insolvenzordnung (InsO) einen Eröffnungsantrag für das Insolvenzverfahren stellen dürfe, bestehe keine Notwendigkeit für ihn, als Insolvenzberatungsstelle anerkannt zu werden. Ein Rechtsanwalt sei vornehmlich ein Organ der Rechtspflege und damit immer auch gemeinnützig tätig. Da Schuldnerberatungsstellen regelmäßig ein Entgelt für ihre Tätigkeit verlangten, könne das Gericht keinen Gemeinnützigkeitsvorsprung gegenüber der Anwaltschaft erkennen.

Gegen den der Beklagten am 11. Februar 2013 zugestellten Gerichtsbescheid wendet diese sich mit ihrer am 28. Februar 2013 eingelegten Berufung. Nur gemeinnützige Einrich...

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