Entscheidungsstichwort (Thema)

Landesblindengeld. Niedersachsen. Streichung des Landesblindengeldes für Blinde, die das 27. Lebensjahr vollendet haben. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

Die Streichung des Landesblindengeldes gem der vom 1.1.2005 bis 31.12.2006 geltenden Fassung des § 1 des Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde (BliGG ND) zum 1.1.2005 für Blinde, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, steht mit der Verfassung im Einklang.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger auch für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 Landesblindengeld nach Maßgabe des Niedersächsischen Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde (LBlGG) zusteht.

Der 1976 geborene Kläger hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt bisher stets im Land Niedersachsen. Er ist an beiden Augen an einer Opticusatrophie mit einem verbliebenen Sehvermögen von rechts 1/100 sowie links weniger als 1/100 erkrankt, weshalb er seit März 1983 Landesblindengeld bezog. Mit Bescheid vom 22. Januar 2004 wurde dem Kläger zunächst letztmalig Landesblindengeld ab dem 01. Februar 2004 in Höhe von monatlich EUR 409,00 gewährt. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 unterrichtete der Beklagte den Kläger darüber, dass aufgrund der Neufassung des LBlGG für Zivilblinde, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, der Anspruch auf Zahlung eines Landesblindengeldes ab dem 01. Januar 2005 entfalle. Sollte der Kläger das 27. Lebensjahr vollendet haben, werde zum 01. Januar 2005 die ihm bisher zustehende Leistung eingestellt. Diese Mitteilung sei zugleich der Entziehungsbescheid gemäß § 48 SGB X; eine weitere Mitteilung in dieser Sache ergehe nicht. Mit weiterem Bescheid vom 03. Februar 2005 wies der Beklagte den Kläger darüber hinaus darauf hin, dass der von ihm erlassene Bescheid vom 22. Dezember 2004 erst zum 01. Januar 2005 habe wirksam werden können. Zu diesem Zeitpunkt sei die Neufassung des Landesblindengeldgesetzes vom 30. Dezember 2004 bereits veröffentlicht und in Kraft getreten. Den vom Kläger hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. April 2005 zurück.

Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Hildesheim hat der Kläger seinen Anspruch auf Landesblindengeld weiter verfolgt und zur Begründung vorgetragen, dass die seit dem 01. Januar 2005 geltende Altersgrenze von 27 Jahren als Voraussetzung für die Zahlung von Blindengeld eine Ungleichbehandlung darstelle. Personengruppen, die jünger als 27 Jahre seien, würden besser gestellt als diejenigen Blinden, die diese Altersgrenze bereits übersprungen hätten. Im Hinblick auf die dem Blindengeld zugewiesene Ausgleichsfunktion stelle das Alter jedoch für sich genommen keinen ausreichenden Grund dar, der die ungleiche Ausgestaltung sachlich rechtfertigen könne. Der Verfassungsverstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG werde zutreffend in dem Rechtsgutachten von Prof. Dr. J. vom 28. April 2005 aufgezeigt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Blindengeld vornehmlich als Mittel zur Befriedigung laufender blindheitsspezifischer, auch immaterieller Bedürfnisse des Blinden diene. Damit sei eine Ungleichbehandlung allenfalls zwischen erwerbstätigen und in Ausbildung befindlichen Blinden einerseits und Blinden im Ruhestand andererseits zu rechtfertigen. Darüber hinaus sei in seinem konkreten Fall verkannt worden, dass er sich im juristischen Vorbereitungsdienst, also ebenfalls noch in Ausbildung befinde. Aufgrund seiner Blindheit sei er auf Vorlesekräfte angewiesen, deren Stundenzahl sich seit Antritt des Referendariats noch erhöht habe, was finanziell zu weiteren Lasten führe. Damit stünden auch Vertrauensgesichtspunkte einer Kürzung der Leistung entgegen.

Nachdem das LBlGG mit Wirkung zum 01. Januar 2007 erneut geändert worden ist, hat der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. März 2007 wieder Landesblindengeld ab dem 01. Januar 2007 in Höhe von monatlich EUR 220,00 gewährt. Der Kläger hat daraufhin die Auffassung vertreten, dass auch dieser Bescheid und damit die Höhe des Landesblindengeldes ab dem 01. Januar 2007 Streitgegenstand des Klageverfahrens seien. EUR 220,00 seien nicht ausreichend, um seinen tatsächlichen Mehrbedarf zu decken.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 07. Februar 2008 abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung von Landesblindengeld für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 nicht zu. Die Frage der Höhe des Landesblindengeldes ab dem 01. Januar 2007 sei nicht zulässiger Streitgegenstand des Klageverfahrens.

Der Kläger hat gegen das ihm am 27. Februar 2008 zugestellte Urteil am 20. März 2008 Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, dass die Ausführungen des Sozialgerichts zur Ungleichbehandlung nicht haltbar seien und bezieht sich im Wesentlichen auf seine Klagebegründung. Er betont, dass der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung von Blindengeld den rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet habe. Denn dieser verlange...

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